Tina Stroheker: "Lodzer Wörterbuch"

Von Hans Kumpf

 

Die Verständigung mit Polen ist der 1958 in Ulm geborenen und nun in Eislingen bei Göppingen wohnenden Schriftstellerin Tina Stroheker eine Herzensangelegenheit. In ihren beiden Büchern "Polnisches Journal" und "Pommes Frites in Gleiwitz. Eine poetische Topographie Polens" vermittelte sie auf oft amüsante Weise viel Wissensreiches und Nachdenkenswertes über unser Nachbarland.

 

Auch im "Lodzer Wörterbuch" kommen Historie, Gegenwärtiges sowie Sprachkundliches nicht zu kurz. 2002 nahm sie in Stuttgarts Partnerstadt ein Stipendium als Stadtschreiberin wahr. Nach dem ABC geordnet reiht Tina Stroheker Episoden und Eindrücke hintereinander - beginnend mit "Ankunft", "Boot", "Brunnen", "Champignons", "Dreieinigkeit", "Erinnerung", endend mit "Wunder", "Xylophon", "Yesterday", "Zeit" und "Zwischen". Wiederkehrendes Thema ist das Spannungsfeld zwischen Polen, Juden und Deutschen in der Textilstadt. An diesem Prosa-Bändchen fallen lyrische Verkürzungen auf, vielfach Sätze ohne Verben. Knapp und hart.

Jeweils auf der linken Seite findet man den deutschen Urtext, daneben die Übersetzung von Tina Strohekers Freundin S³awa Lisiecka. Wer die vielen Andeutungen selbst nicht entschlüsseln kann, dem stehen im Anhang zahlreiche und detaillierte Erklärungen zur Verfügung. Kurzweilig und unbequem, eine lesenswerte Literatur.

Tina Stroheker: "Lodzer Wörterbuch - S³ownik £ódzki", 160 Seiten, kartoniert, Eislinger Edition (ISBN 3-929947-38-2 und Bibliotheka "Tygiel Kultury", £ódŸ (ISBN 83-88552-33-3)

 

 

Fragen

 

Präsident K. wird eine Frau. Wahrheit oder Lüge? Der Gast vor Plakaten. Die Brüder K. haben den Mond gestohlen. Wahrheit oder Lüge? Wer fragt, wird nicht verraten. Noch nicht? Die Hiesigen verstehen die Anspielungen, ich brauche Hilfe, erst dann kann ich Jola Kwaœniewska grüßen und die Buben Jacek und Placek, die vor Jahren im Film den Mond stahlen. Meine Fragen sind anders: Wo sitzen die Schachspieler aus dem Altstadtpark winters? Warum schwankt am Plac Wolnoœci der Boden, wenn eine Trambahn vorbei fährt? Wieso kann Frau Maria ihrer Tochter das Studium nicht bezahlen? Was tut die Alte vor der Marienkirche mit dem, was sie aufhebt, Papierfetzen, Laub, Kippen und Dosen? Warum ist die Verkäuferin feinster Eclairs, Cremerouladen und Windbeutel schlecht gelaunt? Warum gibt es in Baluty so viele Hunde? Warum existiert kein Museum über die Geschichte der Lodzer Juden? Warum mag ich den Stary Rynek so? Wen sucht das steinerne Hündchen an der Fassade der Villa Kindermann? Warum mußte Zbyszek, der Dichter, so früh sterben? Warum sind diese Fragen so durcheinander?

(Auszug von Tina Stohekers "Lodzer Wörterbuch", Seite 26)