NEULANDPOGRANICZE

Fotografieprojekt der OSTKREUZ Schule für Fotografie & Gestaltung Berlin

Von Kai Ziegner

 

Seit November 2004 arbeiten 15 deutsche und polnische Fotografiestudentinnen und -studenten gemeinsam an einem Fotografieprojekt über das Grenzgebiet zwischen Deutschland und Polen. Dabei stehen Themen wie Lebensträume, Existenz, Vorurteile oder Vertreibung im Mittelpunkt. Von Mai bis Oktober 2006 zeigen die Studenten ihre Arbeiten im Rahmen einer ungewöhnlichen Ausstellung auf der neuen Stadtbrücke zwischen Görlitz und Zgorzelec. Dazu werden Fotografien großformatig vergrößert, wetterfest gemacht und so auf der Brücke installiert, dass Interessierte die Ausstellung als frei begehbare Galerie zwischen den Grenzstädten besuchen können. Zurzeit suchen die Studentinnen noch nach Unterstützung und Kooperationspartnern.

 

„Woher kommt noch mal ihr Kollege?“, Krzysztof Dorniak beugt sich verstohlen hinüber zu Ula, einer polnischen Fotostudentin, die gerade Fragen ihres deutschen Kollegen Peter übersetzt hat. „Aus der DDR“, sagt sie und Krzysztof Doniak lacht. „Na dann ist er ja so was wie ein Bruder“, sagt der Baggerfahrer aus Bogatynia (dt. Reichenau) und nippt an seinem kalt gewordenen Kaffee.

Krzysztof Dorniak, Mitte 40 und Vater von vier Kindern, ist Operator im Braunkohletagebau von Bogatynia, dem größten Kohlefördergebiet an der polnisch-deutschen Grenze. Mit seinem tonnenschweren Baggerkran bricht er Lehm und Kohle aus dem Boden. Ein Großteil davon wird im Kraftwerk der polnischen Kleinstadt zu Strom umgewandelt und auch nach Deutschland geliefert. Krzysztof Dorniak steht im Mittelpunkt einer Reportage über den Kohlebergbau in Polen, die Peter, Student an der Ostkreuzschule, für das Projekt NEULANDPOGRANICZE machen möchte. 14 Tage lang will der junge, deutsche Fotograf den Baggerfahrer, seine Kollegen und ihre Familien mit der Kamera begleiten und so eine Geschichte über Bogatynia und die Braunkohle erzählen. Ohne die Hilfe seiner polnischen Kommilitonin Ula, die auch an der Ostkreuzschule in Berlin studiert, wäre er wohl nie bis in das Wohnzimmer von Krzysztof Dorniak vorgedrungen. Die Sprache hat dem Fotografen die Türen geöffnet.

Begegnungen und Kooperationen wie diese machen den Charakter des Fotografieprojektes NEULANDPOGRANICZE aus. Über ihre Bilder und durch  die Auseinandersetzung mit Sprache und Kultur, finden die jungen Leute zu einem Verständnis füreinander, das ihren Eltern oder Großeltern oft verwehrt geblieben ist.

Das Projekt haben die Studenten und Studentinnen in Eigenregie entwickelt. Ute Mahler, Leiterin der Fotoklasse, renommierte Porträtfotografin und Gründungsmitglied der Berliner Fotoagentur OSTKREUZ, unterstützt sie in der Auswahl der Bilder und gibt Anregungen für die Projektarbeit. Alles andere obliegt der Tatkraft und dem Engagement der StudentInnen. Polnische Partner suchen und finden, Themen recherchieren, Unterstützer und Geldgeber überzeugen oder das Konzept für die Ausstellung entwickeln, alles ist Teil der Ausbildung in der Fachklasse an der Ostkreuzschule. Die Schule hat sich zum Ziel gesetzt, eine neue Generation von Fotografen und Fotografinnen heranzubilden, die auch jenseits von Kameratechnik und Computern Wege finden, Stellung zu beziehen und Meinungen in Bildform zum Ausdruck zu bringen.

„Kannst Du mir einen Brief schreiben, damit ich ins Ballhaus reinkomme?“, fragt Mariusz Forecki, Fotografiestudent aus Poznañ, in seiner Email an die deutsche Studentin Dorothee. Forecki will einen Ball in Bad Muskau fotografieren, Englisch spricht er, nur eben Deutsch nicht. Nach zwei Telefonaten mit der deutschen Veranstalterin des Balls und einer schriftlichen Bitte um Fotoerlaubnis kann Mariusz Forecki seine Bilder machen.

Ein Jahr ist inzwischen vergangen, die meisten StudentInnen haben ihre Arbeiten schon abgeschlossen. Jetzt kommt die schwierigste Phase des Projektes, die gemeinsame Fotoauswahl, der Kampf um lieb gewordene Bilder. Mitte April muss die Auswahl stehen, denn ein Teil der Bilder soll im Rahmen von Wanderausstellungen im Grenzgebiet, in Deutschland und Polen gezeigt werden.  Nicht alle StudentInnen haben während der 12 Monate an das Projekt geglaubt. Jetzt, wenige Wochen vor der Präsentation sind auch die ärgsten Zweifler und Zweiflerinnen wieder versöhnt. „Wenn es das Projekt nicht gäbe, wäre ich nie nach Polen gefahren“, sagt die Studentin Dorothee während einer Unterrichtsstunde an der Berliner Fotoschule.