Leserinbrief

 

Wann werden Deutsche endlich einmal bescheiden, wann lernen sie, sich dem deutschen Verbrechen der NS-Zeit zu stellen, und zwar ganz, ohne Abstriche!

Der Artikel "Streit um Vertreibungszentrum geht weiter" in POLEN und wir Nr. 2/2006 von Renate Hennecken veranlasst mich zu einer Reaktion. Bei der Lektüre dieser erfreulicherweise sehr kritischen Auseinandersetzung erfasste mich Empörung und Entsetzen über das Vorhaben, ist es doch das erste Mal, dass ich Genaueres über das Konzept erfahre. Es sieht offenbar vor, was ich immer befürchtet habe. Es zeigt keine wirkliche, echte Auseinandersetzung mit Geschichte, was dringend und endlich notwendig ist. Es geriert zu einer deutschen Angelegenheit, was es wahrlich nicht ist und wäre fatal unseren Nachbarn gegenüber. Hört und versteht denn niemand ihre Einwände? Ignorieren ist der Sache nicht dienlich.

Wann werden Deutsche endlich einmal bescheiden, wann lernen sie, sich dem deutschen Verbrechen der NS-Zeit zu stellen, und zwar ganz, ohne Abstriche! Man kann das Ganze auf eine banale, sehr einfache Formel bringen: Wäre Hitler und seine Mittäter zu Hause geblieben, wären auch die Vertriebenen noch zu Hause. Für meine Begriffe kann nur ein Gremium aus z.B. polnischen, tschechischen, ukrainischen, deutschen und anderen Historikern ein solches Zentrum aufbauen, und Berlin ist dafür der denkbar ungeeignetste Ort. Die Oderinsel zwischen Kostrzyn und Küstrin-Kietz z.B. ist ein passender Standort, liegt er doch mitten im Grenzfluss, bzw. verbindenden Fluss, zwischen Deutschland und Polen. Und die dort leer stehenden Kasernen warten dringend darauf, mit Leben erfüllt zu werden. Ich empfinde es als höchst peinlich und kleinkariert, sich um eine solch ernsthafte Angelegenheit zu streiten, dazu noch mit lächerlichen Argumenten. Nach Frau Hennecken läuft das Ganze in eine beängstigend falsche Richtung. Eine Aussage von Erika Steinbach erhärtet das, die die Formulierung im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD mit den Worten kommentierte: Das sei “ein klares Bekenntnis für unser Projekt” und ein “Meisterstück der Psychologie”.

Wenn man nicht im Stande ist, diese hoch sensible Angelegenheit professionell aufzuziehen, sollte man gar nicht erst den Versuch machen. K e i n Zentrum richtet wenigstens keinen Schaden an - das jetzige Konzept sehr wohl!

Lore Beusch