Dokumentation

 

Zeitungen in Deutschland stellen Ereignisse in Polen seit langem extrem negativ dar

 

Die deutsche Presse greift uns an

 

Von Zdzisław Krasnodębski

 

Ich habe hunderte deutscher Artikel über Polen gelesen, oft sehr kritische, besonders in den letzten Jahren nicht selten an der Grenze zur Schmähschrift. Ich muss jedoch zugeben, dass der aus der "tageszeitung" (taz) alle anderen übertrifft. Natürlich wie gewöhnlich in solchen Fällen meldeten sich sofort in Polen Stimmen, dass man sich darüber keinen Kopf machen solle, denn es handele sich nur um irgendein satirisches, wenn auch widerliches Artikelchen in irgendeiner unbedeutenden Nischenzeitung. Wenn es wirklich nur die Albernheit eines einzelnen Journalisten in einer Zeitung wäre, die im wesentlichen nur noch die Dinosaurier der 68er Generation oder eine Handvoll auseinander laufender linker Studenten lesen, dann wäre die Sache völlig belanglos.

 

Aber jenes "Artikelchen" in dieser "Nischenzeitung" ist mit dem Milieu der bis vor kurzem regierenden Partei, den Grünen verbunden, also keinesfalls so belanglos, wie man ihrer Auflage nach urteilen könnte. Sie zeichnet sich mit einer ganzen Serie geschmackloser Angriffe auf Polen aus. Sie tritt mit einer sehr spezifischen Art von Humor hervor, der nur die Deutschen eines gewissen Typs, der allerdings relativ weit verbreitet ist, anspricht.

Entgegen einer häufig empirisch verbreiteten Meinung sind die Deutschen kein Volk der Dichter und Denker, wie es einst Madame de Stäel meinte, sondern die Nachkommen von Handwerkern und Bauern. Sie lieben den deftigen derben Witz, der allgemein gesagt, sich hartnäckig um die Frage der Ausscheidungen dreht, was die Hypothese der Sozialpsychologen über den Analcharakter unserer westlichen Nachbarn bestätigt. Nichts fasziniert die Deutschen so wie das Absondern von Exkrementen und in ihren Unterhaltungsprogrammen oder Bühnenshows amüsiert sich das Publikum am besten, wenn einer die Hosen runter lässt und mit dem nackten Hinterteil wedelt. Dieser Artikel ist im Grunde nichts anderes als ein Wedeln in unsere Richtung, begleitet von ordinärem Gelächter.

Wirkliche Sorge bereitet der Fakt, dass der in ihm enthaltene allgemeine Inhalt auch in wesentlich wichtigeren Zeitungen anzutreffen ist. Zum Beispiel die Artikel aus der Feder von Konrad Schuller, veröffentlicht in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", stellen seit langem auf eine extrem negative Weise politische Ereignisse in Polen dar.

Es irrt sich derjenige, der feststellt, dies wäre ein Ergebnis der Tätigkeit der gegenwärtigen polnischen Regierung oder des gegenwärtigen Präsidenten.

Antipolnische Mythen

Solche Feststellungen, die in polnischen Medien und unter den gegen die PiS eingestellten Intellektuellen nicht fehlen, hieße, das Pferd mit dem Schwanz aufzuzäumen. Die polnisch-deutschen Beziehungen verschlechterten sich schon seit langem und es besteht kein Zweifel daran, dass die Verantwortlichkeit dafür im wesentlich größeren Maße der deutschen als der polnischen Seite zukommt. Es geht dabei nicht nur um die Tätigkeit des Bundes der Vertriebenen. Die Politik der Regierung Schröder, genannt rot - grüner Wilhelminismus, zu deren Symbol das Projekt der Ostseegasleitung wurde, musste notwendigerweise zu Spannungen und negativen Reaktionen der polnischen Seite führen. Die deutschen Medien sekundierten mutig diese Politik. In den letzten Jahren gab es drei herausragende Medienkampagne, in denen das Land Polen und die Polen auf eine Weise dargestellt wurden, die nichts mit dem so oft in den Sonntagsreden beschworenen europäischen Geist, dem Geist der Aussöhnung, der Solidarität und gegenseitiger Wertschätzung zu tun haben. Die erste war verbunden mit unserem Engagement im Irak, die zweite tauchte schon kurz nach dem Eintritt Polens in die Union auf, als im Stile wahrhaftigen Neowilhelminismus vor einer Überschwemmung mit billigen Arbeitskräften und Dumping gewarnt wurde, die dritte fand ihren Platz während der letzten Wahlen, besonders nach der Wahl von Lech Kaczyński zum Präsidenten. Keine dieser Medienkampagnen wurden durch deutsche Politiker oder durch vermeintliche postnationale intellektuelle Autoritäten besänftigt, obwohl Wörter gefallen waren, die den zulässigen Standard wesentlich überschritten haben. Neben diesen drei großen Kampagnen kann man eine ständige beobachten. Es ist die beharrliche Arbeit deutscher Journalisten am "Abbau polnischer Mythen" und der Umformulierung des Geschichtsbildes, in dem immer deutlicher das deutsche Leiden und die polnische Verstrickung in die Verbrechen des Nationalsozialismus akzentuiert werden. Deshalb kann man sich auch nicht wundern, dass die "FAZ" vor kurzem einen Artikel über die aggressive Politik Vorkriegspolens veröffentlichte, in dem der Leser die Bestätigung über die bisher am Rande herumgeisternde Überzeugung finden konnte, dass die Verantwortung für den Ausbruch des Krieges im Jahre 1939 teilweise auch auf Polen fällt.

Das Bild der gegenwärtigen Situation in Polen ist ebenfalls völlig entstellt. Es handelt sich dabei nicht um sachliche Kritik, sondern um selektive und voll bösen Willens gegebene Falschinformation der Leser. So erfährt der deutsche Leser zum Beispiel nichts darüber, warum Polen gegen den Bau der Ostseegasleitung ist, welche Argumente gegen den Bau eines Zentrums gegen Vertreibung sprechen, mit welchen inneren Problemen Polen zu kämpfen hat. Besonders subjektiv wurde über die letzten Wahlen berichtet und ihre Ergebnisse interpretiert. Die deutsche Öffentlichkeit konnte den Eindruck erhalten, dass der Wahlkampf in Polen in großem Maße die Außenpolitik betraf und besonders antideutsch war. Lech Kaczyński wird in den deutschen Medien sehr widerwillig behandelt. Da half auch sein gelungener Besuch nichts. Die Ursache dafür sind nicht irgendwelche kleinen Ungeschicklichkeiten, auch nicht die Tatsache, dass der gegenwärtige polnische Präsident im Gegensatz zu seinem Vorgänger kein "großer Kommunikator" ist. Tatsächlich will man ihm das Aufzählen der Kriegsschäden Warschaus, seinen Einwand gegen die Ostseegasleitung sowie seine Abneigung gegen den Gebrauch der europäischen “Neusprache”, die leer und voller Phrasen aber funktionell ist, nicht vergessen. Auch die Tatsache, dass die Brüder Kaczyński an polnische patriotische Traditionen anknüpfen, zum Beispiel an die Landesarmee, weckt in Deutschland - aus verständlichen Gründen - keinen Enthusiasmus. Das, was für uns unabhängig von politischen Ansichten Patriotismus ist, ist für die Deutschen schon polnischer Nationalismus, der im Prozess der Europäisierung des Ostens auszurotten ist. Die Darstellung der Brüder Kaczyński als dumpfe Nationalisten; sie der Lächerlichkeit und Isolierung preisgeben, passt ausgezeichnet in dieses Programm. Die Tatsache, dass dies in der "taz" mit solcher Hartnäckigkeit geschieht, ist auch kein Zufall. Für die europäische Linke ist Polen, das jetzt ein Nicht-Linkes-Polen ist, ein beliebter Gegenstand für Angriffe im Rahmen des transnationalen "Kulturkampfes".

Ständig lebhafte Vorbehalte

Leider muss man mit Bedauern feststellen, dass der Antipolonismus in der Berliner Republik vollständig salonfähig geworden ist. Allerdings ist zu sehen, dass der neuen deutschen Mannschaft an einem freundschaftlichen Verhältnis zu Polen liegt. Deutlich bemüht sie sich um eine Erwärmung der Beziehungen. Es gibt keinerlei Zweifel, dass das auch unser Ziel sein muss, aber es ist nicht schwer zu bemerken, dass die deutsche Regierung in keinem der Streitpunkte ihre Politik geändert hat. Daher ist die Überzeugung, dass die polnische Seite die ausgestreckte Hand nicht ergreift, falsch. Es wird uns eine Freundschaft vorgeschlagen, aber nur zu den eigenen, harten und egoistischen nationalen Bedingungen. Von den Bemühungen der deutschen Regierung, die polnisch - deutschen Beziehungen zu berichtigen, weichen die Stimmungen in der deutschen Gesellschaft ab, wo besonders - aber nicht nur - in den niederen Schichten unablässig die uralten, historisch gewachsenen Vorurteile andauern, die beschönigend Stereotype genannt werden. Im Wesentlichen haben wir es mit dem klassischen Rassismus zu tun, der noch aus der Zeit der Kolonisierung der "polnischen Irokesen" stammt.

Noch mehr sollten uns die polnischen Reaktionen Sorgen machen, unsere Unfähigkeit mit dieser Situation umzugehen. Über viele Jahre haben wir eine Vogel-Strauß-Politik betrieben, strittige Angelegenheiten zur Seite geschoben, sich Beschönigungen bedient. Wir waren zuvorkommend und naiv. Wir sind auf unbedeutende Schmeicheleien hereingefallen. Wir freuten uns wegen kleiner gemeinsamer und individueller Vorteile. Möglicherweise haben diejenigen Recht, die festgestellt haben, dass der Präsident keine guten Berater in der Außenpolitik - besonders in der deutschen - besitze. Aber vielleicht will er ganz einfach ihre Ratschläge nicht annehmen? Daraus jedoch herzuleiten, dass die vorhergehende Politik erfolgreich und kompetent gewesen sei, muss bei denjenigen ein müdes Lächeln hervorbringen, die wissen, wie das polnische Außenministerium wirklich arbeitet.

Den Polen fehlt Solidarität

Die falsche Einschätzung des Standes unserer Beziehungen zu Deutschland ist ein Ergebnis dessen, dass das Wissen über Deutschland in Polen ungewöhnlich begrenzt ist. Denn immerzu haben wir es mit anachronistischen antideutschen Voreingenommenheiten oder mit pseudoaufklärerischen Anschauungen über das postnationale Deutschland zu tun. Ich befürchte, dass viele Politiker und einflussreiche Intellektuelle ihr Wissen einzig und allein aus flachen und bewusst einseitigen Artikeln einiger Journalisten schöpfen, die sich auf das Anpreisen des deutschen "Verfassungspatriotismus" beschränken und immer Argumente finden, um die kontroversesten Maßnahmen der deutschen Regierung zu begründen. Es geht jedoch nicht nur um fehlendes Wissen, welches nur durch die Bildung von “think tanks” von einem wirklichen Ereignis geschaffen werden könnte, um eine tiefe Reform der Germanistik an den Universitäten sowie radikale Veränderungen, darunter auch personelle in den schon bestehenden Institutionen, die sich mit Deutschland beschäftigen, sondern es geht auch um das Fehlen des Zusammenhalts der polnischen Gesellschaft und der Loyalität der polnischen Eliten. Nur in der Angelegenheit des Zentrums gegen Vertreibung haben wir uns solidarisch verhalten und nur deshalb ist es noch nicht entstanden.

Gegenwärtig überträgt sich der innere Konflikt ungeniert und ohne Skrupel auf das europäische Forum. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass in Polen gefallene Beleidigungen und mit Emotionen aufgeladene Worte danach vervielfältigt und in ausländischen Medien völlig ernst genommen werden, ohne Verständnis dafür, dass sie sich aus einer sarmatischen Neigung zur Übertreibung ergeben. Ein beschämendes Ereignis mit völlig neuer Qualität im politischen Leben Polens ist der offene Brief der ehemaligen Außenminister. Ihre Sorge ist verständlich, ihr Verhalten skandalös. In Deutschland wäre so etwas unmöglich und auch das erklärt die Stärke der deutschen Außenpolitik, mit großer Wirksamkeit angestrebte weitreichende Ziele erreichen.              

Zdzisław Krasnodębski, Philosoph und Soziologe. Professor an der Universität in Bremen und der Kardinal Stefan Wyszyński Universität. Ständiger Mitarbeiter der Zeitung "Dziennik".

aus: Dziennik, 8./9. Juli 2006; Übersetzung: Daniela Fuchs, Berlin