Vertriebenenrede auf Gedenkkonzert für die Opfer des KZ-Buchenwald

 

Die Rede des stellvertretenden Bundesbeauftragten für Kultur und Medien, Hermann Schäfer, führte zum Eklat bei einem Gedenkkonzert für die Opfer des Konzentrationslagers Buchenwald in Weimar. Schäfer war am Freitagabend [25.August 2006] vom Publikum durch "Aufhören"-Rufe, Pfiffe und lautes Klatschen zum Abbruch seines Grußworts gezwungen worden. Kunstfest-Intendantin Nike Wagner nannte es "bedauerlich und unverständlich", dass Schäfer nur über Flucht und Vertreibung der Deutschen gesprochen habe und nicht auf die Opfer des KZ Buchenwald eingegangen sei. Schäfer habe das Thema "auf grausame Weise verfehlt".

In der Folge sind Forderungen nach einer Reaktion der Bundesregierung laut geworden. Sowohl die Vizepräsidentin des Bundestages, Katrin Göring-Eckardt (Grüne) als auch Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) und der Direktor der KZ-Gedenkstätte Buchenwald, Volkhardt Knigge, äußerten sich in dieser Weise.

Entschuldigung in drei Akten

Schäfer selbst sagte am folgenden Tag, der Ablauf tue ihm Leid. Er sei aber um eine Rede zum Thema Erinnerungskultur gebeten worden. Man habe ihn wegen seiner Bonner Ausstellung zu Flucht und Vertreibung eingeladen und ihm gesagt, es gehe bei der Weimarer Veranstaltung nicht primär um Buchenwald.  Zu den scharfen Reaktionen von Zuhörern sagte Schäfer, er wolle das Publikum nicht beschimpfen. Die Leute seien wegen des Konzerts gekommen.

Am Montag bekräftigte Schäfer, er habe sich bei seiner Rede an die Vorgaben von Kunstfestintendantin Wager gehalten. "Sollte dies zu Missverständnissen oder Unzufriedenheit beim Publikum geführt haben, bedauere ich dies, habe es allerdings nicht zu vertreten." Dem widersprachen Wagner und Knigge. Die Einladung an Schäfer habe keine Zweifel zugelassen.

Schließlich entschuldigte Schäfer sich doch noch ausdrücklich für seine Rede. "Das würde ich heute anders machen, das gebe ich ehrlich zu", sagte Schäfer dem Fernsehsender 3sat. "Ich wusste nicht, dass in den ersten Reihen auch KZ-Opfer sitzen. Das tut mir Leid und ich entschuldige mich auch dafür", erklärte Schäfer. "Ich hätte sie stärker in die Rede einbinden können und ich hätte es wahrscheinlich auch müssen. Aber da gesagt worden ist, die Rede soll um Erinnerungspolitik im Allgemeinen gehen, da habe ich das nicht hinreichend getan. Aber es liegt mir fern, Opfer zu relativieren."

Lob für das Weimarer Publikum

Gedenkstätten-Leiter Knigge lobte das Weimarer Publikum, das sich auf höfliche Weise gegen die Zumutung gewehrt habe. Bundestagsvizepräsidentin Göring-Eckardt forderte die Bundesregierung auf, "zügig zur Position ihres Ministerialdirigenten Stellung zu nehmen, um so weiteren Schaden im In- und Ausland zu vermeiden". Das Kunstfest, Weimar und die Gedenkstätte Buchenwald dürften nicht als Experimentierfeld für Historikerdebatten missbraucht werden. Thierse sprach im Deutschlandradio von einer erstaunlichen Fehlleistung und verlangte eine eindeutige Positionierung von Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU). Wenn dessen Vertreter bei einer Gedenkveranstaltung ausschließlich über deutsche Opfer spreche, "dann ist das neben mangelnder Sensibilität für den Anlass und die Adressaten natürlich auch eine Akzentverschiebung in den Gewichten unserer Erinnerungskultur", sagte Thierse.

nach: n-tv, 29. August 2006, http://www.n-tv.de/704389.html