Dokumentation

 

Pressestimmen zur Ausstellung „Erzwungene Wege“

Stimmen aus Polen

 

Die Erzwungenen Wege von Erika Steinbach

(…) Die Vorsitzende des Bundes der Vertriebenen versicherte sehr oft, dass sich ihre Ausstellung "Erzwungene Wege" mit den Vertreibungen des 20. Jahrhunderts in Europa auf eine objektive Weise beschäftigen würde. Aber man hat den Eindruck, dass alle Deportierten des 20. Jahrhunderts in gleicher Weise Opfer waren, und die Schuld des III. Reiches an der Entfesselung des Krieges irgendwo auf der Strecke bleibt. (…)

Nüchtern, enzyklopädisch und unterschiedslos

(…) Über alle Ereignisse schreiben die [Ausstellungs-]Macher nüchtern. Emotionen sind dort sichtbar, wo die Ausstellung die Vertreibung der Deutschen zum Thema hat. Hier wird von "durch Panzer überrollten Flüchtlingen", "vergewaltigten Frauen" und "Güterwaggons" gesprochen, die die Deutschen aus Polen und der Tschechoslowakei deportierten. Wenige Meter vorher, als die Verbrechen des Hitlerstaates dargestellt werden, bedient man sich nur mit Zahlen von Ermordeten und Vertriebenen. (…) Die folgenden Säle sind durch eine Ausstellung über den gemeinsamen Dialog und das Verzeihen gefüllt, aber auch mit Ausstellungsstücken aus dem Alltagsleben der Vertriebenen in der Heimat wie auch mit einigen Gegenständen aus den Lagern, in die man sie einsperrte. (…)

Wo ist die deutsche Schuld?

(Man) kann der Ausstellung nichts vorwerfen: die dargestellten Fakten sind richtig. Ähnliches gilt für die ausgestellten Fotos und Dokumente. Anlass zur Verwunderung bietet mit Sicherheit, warum nicht an die von Deutschland und Polen unterzeichneten Verträge aus den Jahren 1970 und 1990 erinnert wird. "Die Ausstellung ist den Vertreibungen gewidmet. Verträge haben damit nichts zu tun", erklärt Frau Steinbach.

Ein bedeutender Fehler ist gleich zu Beginn der Ausstellung zu bemerken. "Erzwungene Wege" setzt ein Gleichheitszeichen zwischen dem Massaker an den Armeniern, den Konflikten im ehemaligen Jugoslawien und den Dramen des II. Weltkrieges, d.h. es wird etwas auf einen Nenner gebracht, was überhaupt nicht miteinander vergleichbar ist. (…)

(Die) Abfolge der die Geschichte der Vertreibungen darstellenden Wandtafeln bestätigt einen in der Überzeugung, dass alle Deportierten die gleichen, unschuldigen Opfer waren, und so bleibt die Schuld Hitlerdeutschlands an der Entfesselung des Krieges irgendwo auf der Strecke.

Auch die Proportionen wurden verwischt, denn dem II. Weltkrieg wurde nicht bedeutend mehr Raum als dem Zypernkonflikt oder dem Krieg im ehemaligen Jugoslawien gewidmet.

Deshalb macht die Ausstellung sicherlich die jetzt schon nicht zum Besten stehenden polnisch-deutschen Beziehungen nicht einfacher. Und das umso mehr, wenn Frau Steinbach bereits feststellte, dass die Eröffnung der Ausstellung das Präludium zum Bau des Zentrums gegen Vertreibungen sei, gegen das Polen bereits seit Jahren auf das härteste kämpft. Steinbach selbst kümmert das wie bisher kein bisschen. (…)

Sicherlich sind auch die Deutschen geteilt. Die Eröffnung der Ausstellung durch Norbert Lammert und das Versprechen eines anderen Christdemokraten, Bernd Neumann, der Steinbach versprach, dass er die Ausstellung mit der Regierungsinitiative für ein sichtbares Erinnerungszeichen an die Vertreibungen verbindet, stießen auf scharfen Widerspruch der Sozialdemokraten. (…)

(Wymuszone Drogi Eriki Steinbach, Bartosz T. Wieliński, Gazeta Wyborcza (linksliberal) 11.8.2006; Übersetzung: Wulf Schade, Bochum)

 

 

Propagandaausstellung der Umsiedler eröffnet

(...) Entgegen früheren Zusicherungen war der polnisch-deutsche Vertrag von 1990 nicht Teil der Ausstellung, in der Berlin seine früheren Gebiete beansprucht, obwohl sie 300 verschiedene Exponate "aus ganz Europa" auf 600 qm des Museums enthält.

(…) Lammert stellte deutlich heraus, dass die deutsche Regierung deutlich gnädiger die Tätigkeit des Vertriebenenbundes einschätzt, und deutlich war zu spüren, dass "das sichtbare Zeichen" immer realer wird. Darüber hinaus verriet die Ansprache Lammerts keinerlei Distanz gegenüber der Initiative Steinbachs, wie sie für die vorherige deutsche Regierung charakteristisch war. Die Vorsitzende des Vertriebenenbundes drückte selbst mehrmals ihre tiefe Überzeugung darüber aus, dass die Regierung bereits in Kürze ihr Streben nach dem Bau des Zentrums gegen Vertreibungen in Berlin unterstützt.

Die Ausstellung wurde sehr geschickt von der Stiftung "Zentrum gegen Vertreibungen" projektiert. So zeigt sie die Aussiedlungen in vielen Teilen Europas. Allerdings total unproportional. (…)

In den beiden letzten Schaukästen wurde der Krieg in Jugoslawien beschrieben und die damit zusammenhängenden Aussiedlungen. Demgegenüber zeigen zwei Säle viele Exponate und Fotos, die die deutsche Umsiedlung sowie das Leiden der Umsiedler dokumentieren. (…)

Leider wirkten die Erklärungen von Steinbach auf viele ausländische Journalisten überzeugend. Viele von ihnen meinen, dass Kritik schwierig sein wird und es nun leichter für sie wird, das Zentrum gegen Vertreibungen zu bekommen. (…) Falls die Mehrheit der Besucher, die Journalisten und die deutschen Regierungsvertreter die Ausstellung positiv bewerten, wird das für den BdV das O.K. von Regierungsseite für das Zentrum gegen Vertreibungen bedeuten, in dem - und darin hegt niemand irgendeinen Zweifel - die deutschen "Vertriebenen" im Zentrum stehen werden. Erst einmal scheinen die Pressestimmen geteilt zu sein, ein Teil lobt Steinbach, und ein Teil rügt sie wegen der unzulässigen Gleichstellung des Schicksals der Deutschen mit dem z.B. der Juden. Die gestrige Ausgabe von "Die Zeit" stellte fest, dass die Ausstellung Steinbachs die polnisch-deutschen Beziehungen noch komplizierter macht. "Bedauerlich, dass so viele ein Projekt zu legitimieren helfen, das nie europäisch und nie wahrhaft deutsch-polnisch gedacht war.", schreibt der Autor des Kommentars, Günther Hoffmann.

(Otwarto propagandową wystawą przesiedleńców, Waldemar Maszewski, Nasz Dziennik [nationalistisch] 11.8.2006; Übersetzung: Wulf Schade, Bochum)

 

 

Eröffnung einer kontroversen Ausstellung

(...) Nach Meinung von Stefan Hambura, dem polnischen Rechtsanwalt, der sich mit der polnisch-deutschen Problematik beschäftigt, spiegelt "Erzwungene Wege" deutlich die letztens in Deutschland geführte Diskussion um die "historische Erinnerungskultur" der Deutschen wider. "Es gibt keinen Zweifel, dass das ein weiterer Schritt hin auf dem Wege zum Zentrum ist", sagt er. "Es ist durchaus möglich, dass drei Monate nach der Ausstellungseröffnung die deutsche Regierung politisch die Ampel auf grün schaltet. Und nach einigen Jahren wird es dann so sein, dass in der Erinnerung der Deutschen nur zwei durch den Krieg geschädigte Gruppen  existieren: die Opfer des Holocaust und die vertriebenen Deutschen." (…)

(Otwarcie kontrowersyjnej wystawy, Izabella Jachimska, Trybuna [sozialdemokratisch] 11.8.2006; Übersetzung: Wulf Schade, Bochum)

 

 

Steinbach im Schafspelz

(…) Steinbach wählte den Schafspelz. Nach der falschen Darstellung des eigenen Lebenslaufes, der Ablehnung der Grenze mit Polen, der Entschädigungsforderungen für die deutschen Ausgesiedelten usw. war sie bemüht, dieses Mal nicht dem Vorwurf der politischen Manipulation ausgesetzt zu sein. Aber wie kann man Ausrottung mit Ausweisung gleichsetzen? Wie die Ursachen und die Folgen trennen? Wie die Täter und die Opfer auf eine Ebene stellen? Es wäre besser, die Schüler in der BRD lernten die vollständige Geschichte aus ehrlichen Schulbüchern und nicht von Wandtafeln. In der Ausstellung finden sich beispielsweise Karten, die die "Vertreibung" der Deutschen aus dem Gebiet des III. Reiches zeigen. Dabei ging unter, dass es sich teilweise um Gebiete des ehemaligen Polen vor den Teilungen handelte. 123 Jahre genügten, um sie heute als urdeutsche Heimat zu bezeichnen… (…)

Aber eins ist sicher: die Ausstellung "Erzwungene Wege", die Teil eines Zentrums gegen Vertreibungen sein soll, überzeugt die Deutschen davon, dass die Idee Erika Steinbachs realisiert werden muss. Und so wird es sein.

(Steinbach w owczej skórze, Piotr Czywiński, życie Warszawy [konservativ] 11.8.2006; Übersetzung: Wulf Schade, Bochum)

 

 

Erika Steinbach deckt ihre Karten auf

(…) Eine Menge einzelner Informationen. Alle entsprechen der historischen Wahrheit.

Es ist auch schwierig, jemandem die Darstellung von Flucht, Deportation und Vertreibung der Deutschen am Ende des II. Weltkrieges vorzuwerfen. Man hebt hervor, dass entgegen den Beschlüssen des Potsdamer Protokolls die Aussiedlung der deutschen Bevölkerung aus den unter polnischer Verwaltung stehenden Gebieten nicht auf humanitärer Art und Weise geschah. - "Das änderte sich im Laufe des Jahres 1947", lesen wir auf einem der Wandtafeln. Deutlich wurde die Flucht der Deutschen vor der Roten Armee von den später durch die polnische Staatsmacht organisierten Umsiedlungen abgegrenzt. (…)

Man wird aufgefordert, sich nicht nur auf die polnischen und deutschen Geschehnisse zu konzentrieren, sondern auch auf die Schicksale anderer Vertriebener. Material zu diesem Thema findet man in großem Ausmaß vor. Für den Normalbürger ist das alles gar nicht erfassbar. Durch die übergroße Menge an Informationen hat man den Eindruck, dass die Ausstellung eher einen politischen als einen didaktischen Charakter hat. "Wir wollen die Geschichte nicht relativieren", weist Doris Müller-Toovey, Mitarbeiterin von Rogasch [der Ausstellungsleiter - d. Übers.] die Vorwürfe zurück. Das wäre dann geschehen, wenn wir nicht den historischen Hintergrund für die einzelnen Umsiedlungen bzw. Vertreibungen dargestellt hätten. Aber das geschieht doch. (…)

(Niemcy, Erika Steinbach odkrywa karty, Piotr Jendroszczyk, Rzeczpospolita [konservativ] 11.8.2006; Übersetzung: Wulf Schade, Bochum)

 

 

Die Milch ist bereits verschüttet

Professor Wolfgang Wippermann: (...) Alles, was zu diesem Thema bereits bekannt ist, zeigt, dass sich die Vertriebenen von Beginn an auf einem Irrweg befanden. Das Problem liegt darin, dass sowohl der Holocaust und andere Fälle von rassistisch motiviertem Völkermord wie auch andere Völkermord- und Vertreibungsverbrechen aus der deutschen Perspektive dargestellt werden. Ich meine, dass das unzulässig ist. Das ist ein geschichts-politischer Skandal. Seine Ursache muss man in den Wahlversprechen suchen, die Erika Steinbach und dem deutschen Vertriebenenmilieu von Seiten der konservativen Parteien gemacht wurden. Wir haben es hier mit einer Instrumentalisierung der Geschichte für politische Ziele zu tun.

Piotr Jendroszczyk: Die deutschen Vertriebenen erfreuen sich der Unterstützung deutscher konservativer Gruppierungen.

Ja, aber das geschah unter anderen Bedingungen. In der Vergangenheit ist selbst der Holocaust nicht so betrachtet worden wie heute. Direkt nach dem Kriege konzentrierte man sich auf die deutschen Opfer des Krieges, der alliierten Bombardierungen und der Vertreibungen. Das Holocaust-Verbrechen grub sich in das gesellschaftliche Bewusstsein deutlich später ein. Bis in die 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts beschäftigte man sich nicht mit den Opfern des Rassenkrieges im Osten Europas, der Vernichtung von Polen, Russen und Vertretern anderer slawischer Völker. Aber auch das wartet auf die historische Aufarbeitung. In dieser Situation erscheint Erika Steinbach auf der Bühne mit ihrer Konzeption an die Erinnerung deutscher Vertreibungsopfer, die die bisherigen getanen Versöhnungsschritte vernichten.

(…) Meiner Meinung nach ist das Misstrauen der Polen gegenüber den deutschen Projekten begründet. Wie kann man da herauskommen? Man muss einfach sagen: Stop! und ein Moratorium gegenüber allen Maßnahmen verkünden, die mit der Erinnerung an die Vertreibung der Deutschen nach dem II. Weltkrieg verbunden sind. Man muss die ganze Angelegenheit noch einmal von neuem zu denken beginnen, anstatt Energie für die Verbesserung und Ausbesserung der Gedanken von Frau Steinbach zu verschwenden.

Dieses Projekt ist von Grund auf falsch und politisch gefährlich. Man kann es nicht dadurch verbessern, in dem man es in einen europäischen Kontext stellt oder die Lokalisierung des Zentrums gegen Vertreibungen nach Wrocław verlegt, wie es vor einiger Zeit vorgeschlagen wurde. In diesem Sinne ist das Regierungsprojekt, das sogenannte sichtbare Zeichen, auch von vornherein ein Fehler, denn sein Ursprung fußt auf dem Projekt von Frau Steinbach.

Negieren Sie das Recht der Deutschen auf Erinnerung an ihre Opfer von Zwangsumsiedlungen und Vertreibungen?

Nein. Die Deutschen haben das Recht dazu, genau wie die Polen und andere Völker. In einer Situation jedoch, in der ein internationales Projekt wie das Europäische Netz Erinnerung und Solidarität existiert, ist die gemeinsame Zusammenarbeit aller Partner notwendig. Aber man kann mit Erika Steinbach und dem von ihr geführten Bund der Vertriebenen nicht zusammenarbeiten, weil er eine politische Organisation ist, die eigene politische und materielle Ziele realisieren will, wobei man die Entschädigungsforderungen einer Gruppe deutscher Vertriebener erwähnen muss. Das schließt jedoch überhaupt nicht aus, dass an der Realisierung einzelner Projekte Personen aus dem deutschen Vertriebenenumkreis beteiligt werden.

* Wolfgang Wippermann ist Professor für Geschichte an der Freien Universität Berlin

(Mleko sie już rozlało, Rozmawiał Piotr Jendroszek, Rzeczpospolita 11.8.2006; Übersetzung: Wulf Schade, Bochum)

 

 

Ein nervöser Tag

(…) Kein Hauptthema, sondern eines der vielen Themen ist natürlich die Vertreibung der deutschen Bevölkerung aus Polen und der Tschechoslowakei nach 1945. Die Autoren der Ausstellung wollten eindeutig vermeiden, dass ihnen jemand vorwerfen könnte, die deutschen Schicksale besonders herausstellen zu wollen. Für einen kritischen Beobachter drängt sich geradezu den Eindruck auf, als hätten sich Erika Steinbach und ihre Historiker der allerstrengsten Political Correctness unterzogen, um die langfristigen Ziele der Vorsitzenden des Bundes der Vertriebenen auf keinen Fall zu gefährden.

(…) Die Autoren der Ausstellung hatten ganz offensichtlich große Ambitionen - und vielleicht deshalb haben sie nicht sehr viel erreicht. Die tragischen Folgen der hier behandelten Ereignisse werden zu stark exponiert - ihre Ursachen zu wenig. (…)

Schade, dass wir in diesen "Gräben" stecken bleiben. Schade, weil es trotz der großen Bedeutung des historischen Gedenkens so viele Fragen gibt, bei denen Polen und Deutschland heute gemeinsam handeln könnten - z.B. angesichts der Lage im Nahen Osten oder des Terrorismus-Problems, von der Osteuropa-Politik ganz zu schweigen. Eines ist sicher: Wenn sich Polen und Deutsche voneinander entfernen, gibt es andere, die sich darüber freuen - z.B. in Moskau.

(Nerwowy dzień, Joachim Trenker z Berlina, Tygodnik  Powszechny [liberal-konservativ] Nr. 34 v. 20.8. 2006)

 

Stimmen aus Deutschland

 

 

"Wir hätten diese Ausstellung nicht gebraucht, aber..."

tagesschau.de: Der BdV will ein dauerhaftes Dokumentationszentrum errichten. Ist er mit der Ausstellung seinem Ziel einen Schritt näher gekommen und ist die Ausstellung eine Art Lobbyarbeit in eigener Sache?

Markus Meckel: Das ist mit Sicherheit Lobbyarbeit. (...) Nur ist dies deutlich zu unterscheiden von dem nationalen Projekt des BdV, nämlich dem dauerhaften Zentrum gegen Vertreibung. Die Bundesregierung hat sich hier auf die Linie geeinigt, dass ein solches Zentrum nicht unser Ziel ist. Wir wollen gemeinsam mit Polen und Tschechen diese Geschichte bearbeiten. Und wir wollen ein sichtbares Zeichen in Berlin schaffen. (...)

Ist die Frage eines Zentrums gegen Vertreibung, wie vom BdV gefordert, eine Frage von politischen Konstellationen? Könnte so etwas unter Schwarz-Gelb Realität werden?

Diese Möglichkeit sehe ich jetzt nicht mehr. Wir haben uns in der Regierung darauf geeinigt, dass wir ein solches Zentrum in der Trägerschaft des BdV nicht unterstützen. Dabei bleibt es auch in Zukunft. Wir brauchen den Dialog mit unseren Partnern über diese gemeinsame schwierige Geschichte und wollen gemeinsame Projekte fördern. Zumal man deutlich machen muss, dass der BdV sein eigenes Bild bei unseren Nachbarstaaten in Verruf bringt. Ein Beispiel dafür ist Rudi Pawelka von der Preußischen Treuhand, der auch wichtige Funktionen im Vorstand des BdV innehat. Die Preußische Treuhand versucht nun, ehemaliges Eigentum Deutscher in Polen zurückzuklagen. Dem muss man sich deutlich entgegen stellen.

Es reicht also nicht aus, wenn sich Frau Steinbach von Pawelka distanziert?

Meckel: Der BdV muss solche Leute ihrer Funktionen entheben. So lange der BdV nur sagt: "Wir wollen das ja nicht", aber den Leuten die wichtigen Funktionen überlässt, ist diese Organisation nicht glaubwürdig, sondern ein Januskopf. Insofern kann man das Misstrauen in unseren Nachbarländern gegenüber dem BdV durchaus verstehen. (...)

Tagesschau-Interview von Frank Thadeusz mit Markus Meckel vom 10. August 2006, Hervorhebung Puw,

http://www.tagesschau.de/aktuell /meldungen/0,1185,OID5797350,00.html

 

 

"Unerträgliche Positionen"

Richard Meng: Zeigt sich darin nicht auch schon eine wieder wachsende kulturelle Differenz?

Gesine Schwan: Keine wachsende. Es gibt in Polen noch eine ideologische Erbschaft der Homophobie, die auch eine Erbschaft der katholischen Kirche ist. (...) Polen hatte keinen gesellschaftlichen Aufbruch, wie wir im Westen ihn 1968 erlebt haben. Toleranz für derartige Minderheiten ist etwas, das nun in Polen aber erstritten werden wird. Da bin ich mir ganz sicher.

Sie meinen: Die polnische Gesellschaft ist weiter als die gegenwärtige polnische Politik?

Ja. Wobei interessant ist: In Deutschland gibt es diese Art Diskrepanz nicht. Aber es gibt eine andere: die breitere Gesellschaft interessiert sich nicht so sehr für Polen wie viele politische Eliten. Interesse und Sympathie wachsen in Deutschland bei weitem nicht so schnell wie in Polen. Denn auch das stimmt ja: In Polens Gesellschaft nimmt die Sympathie für Deutschland sehr zu, auch das Bewusstsein für künftige Partnerschaft.

Nun führt auch die in Deutschland meist als harmlos eingeschätzte Vertriebenenausstellung in Berlin wieder zu massiven polnischen Reaktionen...

Polen hat kein prinzipielles Problem mit Vertriebenenausstellungen. An anderen Ausstellungen haben Polen sogar mitgearbeitet Es gibt aber einen großen Vorbehalt gegen über dem Bund der Vertriebenen und vor allem gegenüber seiner Präsidentin Erika Steinbach. (...) Und ich kann das nachvollziehen. Der Bund der Vertriebenen hat sehr lange an Wiedergutmachungsforderungen und so genannten offenen Grenzfragen festgehalten und Frau Steinbach hat zu oft zur Polarisierung beigetragen.

Sie kritisieren mehr die Veranstalter als die Ausstellung selbst?

Die Ausstellung hat ein grundlegendes Problem. Sie belichtet an keiner Stelle Menschen als individuell Verantwortliche. Anonym von Diktatoren und Verbrechern zu reden, ist der Stand der Forschung der 60er Jahre. Nicht alle Menschen waren Opfer. Und dann kommt ein Widerspruch hinzu: Die Ausstellung basiert selbst auf dem Gedanken, dass die Vertriebenen eine homogene Gruppe seien - so wie sie kritisiert, dass Vertreibung auf der Unterstellung beruht, es müssten homogene Verhältnisse hergestellt werden. Mich stört die Vereinheitlichung verschiedener Gruppen von Vertriebenen unter dem Oberbegriff Opfer. Dieses Opferkollektiv wird überhaupt nicht nach der eigenen Verantwortung gefragt.

(...) Blockieren Medien vielleicht sogar in beiden Ländern eine offenere Diskussion miteinander?

Sie blockieren sie auch in Deutschland jedenfalls dann, wenn vorschnell und unordentlich die polnische Regierung mit Polen gleichgesetzt wird. Selbst in der deutschen Linken gibt es da problematische Tonlagen - aus eigentlich pro-polnischer, aber stark enttäuschter Sicht. Wer glaubt, sagen zu müssen "Es reicht!", muss auch wissen, wem er das sagt. Wir dürfen doch nicht sagen: "Polen: Es reicht!" Wir müssen doch sehen, dass es in Polen auch Initiativen mit sehr viel mehr Zivilcourage gegenüber autoritären Tendenzen gibt, als manche bei uns sie haben. Die polnische Gesellschaft ist nach meinem Eindruck überhaupt nicht totalitär.

Interview: Richard Meng, Frankfurter Rundschau Nr. 199 vom 28. August 2006, Gesine Schwan ist Polenbeauftragte der  Bundesregierung.