Deutsche und polnische historische Institute

 

Von Udo Kühn

 

Seit 1993 gibt es in Warschau ein „Deutsches Historisches Institut“ [DHIW], finanziert von der Bundesrepublik Deutschland. Sozusagen als Pendant wurde 2006 von polnischer Seite ein „Zentrum für Historische Forschung Berlin der Polnischen Akademie der Wissenschaften“ in Berlin an der Freien Universität feierlich eröffnet.

 

Das Deutsche Historische Institut in Warschau

Der Gründungsdirektor war Professor Rex Rexheuser. Zur Finanzierung im Gründungsjahr stellte er fest:

„Der Etat beträgt im laufenden Jahr 1,9 Millionen Mark. Das Institut wird schrittweise aufgebaut und soll nach etwa vier Jahren beendet sein. Das DHI Warschau wird wie die Institute in Washington und London von der privatrechtlichen 'Stiftung Deutsche Historische Institute im Ausland '’getragen’ “1

Am 11. Juli 1994 meldete Die Welt: „Deutsches Institut nahm in Warschau seine Arbeit auf (...) Das Institut soll, so Direktor Rex Rexheuser, vor allem deutschen Historikern, die sich mit der Geschichte Polens oder der deutsch-polnischen Beziehungen beschäftigen, Forschungsvorhaben in Polen ermöglichen“. (dpa)

Fünf Jahre später können wir in einem Zwischenbericht lesen: „In diesem Sommer (1998) läuft Rexheusers fünfjährige Amtszeit ab. Resümierend spricht der habilitierte Osteuropahistoriker davon, dass das Institut wissenschaftsgeschichtlich ein „ganz ausgefallenes Unternehmen“ sei und seine Gründung eine „Sternstunde“. 1991 hatten sich der deutsche Bundeskanzler Kohl und der damalige polnische Ministerpräsident Bielecki auf die Einrichtung des Deutschen Historischen Instituts verständigt. Im Frühsommer 1993 war es dann soweit, Rexheuser zog mit einer kleinen Gründungsmannschaft in den Warschauer Kulturpalast ein. (...)

Erst in den achtziger Jahren kam die Idee auf, auch in Polen ein Deutsches Historisches Institut einzurichten, nachdem solche bereits in Rom (1968), Paris (1984), London (1975) und Washington (1986) gegründet worden waren. Zur Debatte stand auch Moskau. Das für Warschau Ausschlaggebende war schließlich die Fülle und Intensität der Beziehungen zwischen polnischen und deutschen Historikern.

Drei Frauen und fünf Männer forschen am Institut über einen Zeitraum der polnischen Geschichte, der sich vom 14. Jahrhundert bis zum Zweiten Weltkrieg dehnt. „Polnisch“ bedeutet dabei, ein weites historisches Feld zu bearbeiten, das bis nach Kurland und Lettland, nach Ostpreußen und Litauen hineinragt und dessen Akteure Juden und Weißrussen, Deutsche und Schweden, Adlige und Bauern sind. Neben dem Forschungs- und Konferenzbetrieb ist auch Platz da für Neues. ‚Klio in Polen' heißt eine am Institut ersonnene Publikationsreihe, in der bedeutende Werke der polnischen Geschichtsschreibung, die bisher in keiner westlichen Sprache zugänglich waren, auf Deutsch erscheinen. „So etwas wie eine Fortsetzung der polnischen Bibliothek bei Suhrkamp“ nennt Robert Traba dieses Projekt. Traba, der einzige polnische Historiker am Institut, hat gerade ein Buch des Göttinger Kollegen Hartmut Boockmann über den Deutschen Orden ins Polnische übersetzt...“2

Aus dem aktuellen Bulletin Nr. 13 des DHIW geht für das vergangene Berichtsjahr hervor, dass im Rahmen der deutschsprachigen Reihe „Klio ...“ die Ausgabe 7 mit dem Titel „Ungleiche Freundschaft. Klientelbeziehungen von der Antike bis zur Gegenwart“ von  Antoni Maczak und in der polnischsprachigen Reihe die Ausgabe 12 mit dem Titel „Das jüdische Projekt der Moderne“ von Shulamit Volkov erschienen ist.

Es würde den Rahmen dieses Artikels sprengen, alle weiteren Aktivitäten des Instituts aus dem Berichtszeitraum 2005/2006 zu beschreiben. Das reicht von mehreren Konferenzen, öffentlichen Vorträgen, Kolloquien und Podiumsdiskussionen, die durchgeführt wurden, bis zu einer Reihe von Forschungsprojekten und zum Institutsprojekt mit dem Titel „Auftakt zum Vernichtungskrieg. Der deutsche Überfall auf Polen 1939“. Hierzu schreibt der heutige Instituts-Direktor, Professor Dr. Karl Ziemer, in seinem Vorwort zum aktuellen Bulletin:

„dass der Zweite Weltkrieg und die deutsche Besatzungspolitik in Polen auch weiterhin einen Schwerpunkt der Forschungs- und Publikationstätigkeit des Instituts bilden.“

Diesem Schwerpunkt war auch das Institutsprojekt zur Rolle der Wehrmacht in Polen 1939 gewidmet, das Jochen Böhler durchgeführt und im Berichtszeitraum abgeschlossen hat. Konzipiert aus rein heuristischen Gründen, nämlich um die ‚weißen Flecken' zur Rolle der Wehrmacht in Polen im September und Oktober 1939 zu beseitigen, hat es in der Zwischenzeit noch eine andere Bedeutung erhalten. Es kann geradezu als Gegenbeleg für die in der polnischen Publizistik bisweilen anzutreffende Behauptung angeführt werden, dass in Deutschland die Geschichte des Zweiten Weltkriegs umgeschrieben werde und aus Tätern Opfer gemacht würden. Bemerkenswert sind in diesem Zusammenhang die große Beachtung, die das Buch in Deutschland nicht nur in der Fachöffentlichkeit gefunden hat, und die für eine Dissertation ungewöhnlich hohen Verkaufszahlen. Gefreut hat uns, dass die Bundeszentrale für politische Bildung in einer Lizenzausgabe 6000 Exemplare zugedruckt hat, so dass nun auch Multiplikatoren der politischen Bildung, in erster Linie Lehrer und Journalisten, mit diesem Band werden arbeiten können.

Auf dem Institutsprojekt baut auch die vom DHI Warschau und dem polnischen Institut des Nationalen Gedenkens organisierte Wanderausstellung 'Größte Härte... Verbrechen der Wehrmacht in Polen September/Oktober 1939' auf. Sie wird weiterhin in Polen und in Deutschland gezeigt. Seit September 2005 liegt zur deutschen Fassung der Ausstellung auch ein 145 Seiten starker Katalog vor...“

Bemerkenswert ist auch der Umfang der Bibliothek im DHIW:

„... Die Bestände umfassen derzeit (31. März 2006) ca. 63.200 bibliothekarische Einheiten. Darin enthalten sind 358 laufende Zeitschriften, 26 Mikrofiche-Ausgaben, 154 DVD/CD-Roms, die im Institutsnetz oder seltener als Einzelplatzanwendung zur Verfügung stehen, sowie elektronische Publikationen auf fremden Servern, die über einen Hyperlink direkt aus dem Katalog aufgerufen werden können (3 bibliographische und Volltextdatenbanken; 13 e-Books und e-Journale)...

... In der Berichtsperiode konnte... zusätzlicher Stellplatz für ca. 27.000 Bände der Bibliothek am Institutssitz gefunden werden...“

Das Zentrum für Historische Forschung Berlin der Polnischen Akademie der Wissenschaften

Die eigentliche Gründung des „Zentrums für Historische Forschung Berlin der Polnischen Akademie der Wissenschaften“ war am 11. Oktober 2006. Wie aus einem Interview3 mit Robert Traba, dem Direktor (und früheren Mitarbeiter des DHIW) des in Berlin neu gegründeten Zentrums hervorgeht, ist dieses aus dem Berliner Wissenschaftlichen Zentrum der Polnischen Akademie der Wissenschaften umgewandelt worden. Die Trägerin ist die Polnische Akademie der Wissenschaften.

Anlässlich der Übergabe der Gründungsurkunde am 23. November 2006 im Hörsaal 1 der Freien Universität Berlin (FU) wurde Robert Traba zum Honorarprofessor der FU ernannt. Die Veranstaltung war sehr gut besucht, was beweist, dass die „Gemeinde der Deutsch-Polnischen Freundschaft“ trotz aller aktuellen pessimistischen Einschätzungen in den „höheren politischen Regionen“ wächst und gedeiht.

Robert Traba (geb. 1958), ist Professor für Geschichte, Kulturwissenschaftler und Dozent am Institut für politische Studien an der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Berlin (www.panberlin.de). Im Jahre 2004 wurde Robert Traba mit dem Deutsch-Polnischen Preis ausgezeichnet.

Professor Dr. Robert Traba sagte in seiner Antrittsansprache:

„Im heutigen Europa wird der kulturelle Raum des Dialogs vor allem durch das Verhältnis zur eigenen nationalen Erinnerung und den Prozess des Verstehens der Erinnerung ‚anderer', insbesondere unserer Nachbarn, definiert. Diese Dialoge der Erinnerung sind schwierig und nicht selten werden sie zu Monologen, die mit dem Ziel der Erreichung kurzsichtiger politischer Ziele geführt werden. Der eigentliche Sinn eines solchen bilateralen Dialogs beruht auf dem Verlassen des Kreises der eigenen Tragödie und einer kritischen Selbstreflexion der eigenen kollektiven Erfahrungen. Das Wesen der europäischen Erinnerung, auch der Erinnerung der Polen und der Deutschen, soll - meiner Meinung nach - auf einer Mehrdeutigkeit der Gedächtnisse und nicht auf Eindeutigkeiten beruhen.“

Eine Reihe von Grußworten und Ansprachen begleiteten die Veranstaltung, so zum Beispiel von Bundespräsident a.D., Dr. Richard von Weizsäcker und des ehemaligen Außenministers der Republik Polen, Professor Władysław Bartoszewski. Besonders letzterer erzielte mit seinen Worten großen Beifall aus dem Publikum.

Umrahmt wurde das alles mit einer sehr beeindruckenden Jazzimpression polnischer Musiker.

In diesem Jahr plant das „Zentrum für Historische Forschung Berlin der Polnischen Akademie der Wissenschaften“ u.a. folgende Forschungsvorhaben:

- Strategien der Geschichtspolitik in Deutschland, Polen und Frankreich in den Jahren 1945-2007

- Preußen - Begriff und historische Bedeutung von Polens westlichem Nachbarn

- Orte des Zweiten Weltkrieges in der Erinnerung und der zeithistorischen Forschung.

Wir wünschen nun der neuen Einrichtung nach dem guten Start ein erfolgreiches Arbeiten und eine gute Resonanz.

1 Aus DIALOG, September 1993

2 Aschenbrenner, Cord: Klio in Polen; aus: Neue Zürcher Zeitung vom 11. August 1998

3 Das Interview wurde in DIALOG Nr. 76 (2006) veröffentlicht.

 

 

Deutsches Historisches Institut Warschau /

Niemiecki Instytut

Historyczny w Warszawie Palac Karnickich -

Aleje Ujazdowskie 39

PL 00-540 Warszawa.

www.dhi.waw.pl dhi@dhi.waw.pl

 

 

Zentrum für Historische Forschung Berlin der Polnischen Akademie der Wissenschaften /

Centrum Badań Historycznych

Polskiej Akademii Nauk

w Berlinie

 Majakowskiring 47

D 13156 Berlin

 www.panberlin.de

wiss.zentrum@panberlin.de