Der „König von Polen“

 

Von Heiner Lichtenstein

 

In diesen Tagen sind 60 Jahre seit der Verkündung der Urteile im ersten Nürnberger Prozess gegen 22 Führungsfunktionäre des NS - Regimes vergangen. Zu den zum Tode verurteilten Angeklagten gehörte Hans Frank. Über ihn ist in der Öffentlichkeit relativ wenig bekannt. Gut, Fachleute wissen, dass Frank Generalgouverneur im besetzten Polen war, auf der alten prachtvollen Burg hoch über Krakau wie ein „König“ mit einer eigenen Regierung und einem großen „Hofstaat“ residierte. Warum er aber zu Recht am Galgen endete, das konnten selbst an der NS - Geschichte interessierte Laien nur vage sagen.

 

Diese Lücke hat nun Dieter Schenk geschlossen, Jg.1937 und seit 1998 Honorarprofessor im polnischen Łódź, Autor etlicher Bücher über die NS - Zeit und Träger des Fritz - Bauer - Preises der Humanistischen Union. Bei dieser Vorgeschichte und dem Thema seines neuesten Buches erübrigt sich fast die Frage nach dem Verlag. Es ist selbstverständlich der S. Fischer - Verlag in Frankfurt am Main mit seinem verdienten Lektor Walter H. Pehle, ohne dessen hunderte von Büchern über die zwölf braunen Jahre vieles nicht aufgedeckt worden wäre.

Frank, 1900 in Karlsruhe geboren, studierte Jura und wurde schon in den 20er Jahren Hitlers Rechtsbeistand. Als Mitglied der Nazi - Fraktion im Reichstag machte er Karriere, Hitler holte ihn in seine erste Regierung als Minister ohne Geschäftsbereich und schickte ihn nach der Unterwerfung Polens im September 1939 als Generalgouverneur nach Polen. Frank wollte sich in Warschau niederlassen, was aber Hitler verbot. Die polnische Hauptstadt sollte verrotten und nach den grauenhaften Zerstörungen durch die deutsche Luftwaffe nie mehr aufgebaut werden. Deshalb wich Frank in die alte unzerstörte Königsstadt Krakau im südlichen Polen aus. Dort errichtete Hans Frank mit seiner Regierung ein Regime, das mit vier Begriffen beschrieben werden kann: Terror, Ausbeutung, Raub und Mord.

In einem Interview mit der NS - Zeitung „Völkischer Beobachter“ am 12. Februar 1940 sagte er über sein Regime: „Wenn ich für je sieben erschossene Polen ein Plakat aushängen lassen wollte, dann würden die Wälder Polens nicht ausreichen, das Papier herzustellen für solche Plakate“ (S. 158). Frank musste auf Befehl Hermann Görings schon im Sommer 1940 dafür sorgen, dass mindestens eine Million Polen als Zwangsarbeiter nach Deutschland deportiert wurden. In ganz Polen stahlen seine Mitarbeiter wertvollste Gemälde und brachten sie entweder auf das Schloss oder in Franks Dienstvilla in der Nähe von Krakau. Seine Greifer verhafteten u. a. Schüler in Schulen und verschleppten sie ins Deutsche Reich. Die Eltern erfuhren nichts davon (S. 211). Brigitte Frank, die Ehefrau des Generalgouverneurs, liebte Luxus und bereicherte sich hemmungslos. Sie raffte Dutzende von Pelzen zusammen, erzwang beim Einkauf hohe Rabatte und besaß schließlich 300 Paar Schuhe. Frank blieb bis Mitte Januar 1945 in Krakau, floh dann nach Bayern und wurde im Mai 1945 von US - Truppen festgenommen. Über mehrere Stationen kam er schließlich ins Nürnberger Gefängnis. Dort konvertierte er zum katholischen Glauben, zeigte Reue wegen seiner Verbrechen, wurde zum Tode verurteilt und am 16. Oktober 1946 gehängt. Brigitte Frank musste sich vor einer Entnazifizierungskammer verantworten und starb 1959 völlig verarmt.

Dieter Schenk hat ein spannendes, gut dokumentiertes Buch geschrieben. Einzelne persönliche Bemerkungen wie der Hinweis, Frank sei schließlich so gestorben, wie er mit den Polen umzugehen gedachte (Genick brechen), sind überflüssig und dass „vorprogrammieren“ ein Pleonasmus ist, weil ein Programm immer in die Zukunft weist (S. 163), hätte dem Verlag auffallen müssen. Aber insgesamt eine empfehlenswerte Biographie.

 

Dieter Schenk: Hans Frank. Hitlers Kronjurist und Generalgouverneur. S. Fischer Verlag, Frankfurt a. M.,2006, 485 S., 22, 90 Euro