Otto Pankok: Sinti-Porträts 1931 bis 1949

 

Von Frank Reuter

 

Neben dem Expressionisten Otto Mueller ist Otto Pankok (1893 - 1966) der wohl bedeutendste deutsche Künstler des 20. Jahrhunderts, dessen Leben und Werk in enger Beziehung zur Minderheit der Sinti und Roma stehen. Darstellungen von Sinti und Roma nehmen im Gesamtwerk Pankoks einen herausragenden Platz ein. Sie entstanden vom Beginn der Dreißigerjahre bis zu seinem Lebensende und umfassen nahezu alle künstlerischen Techniken, derer er sich bediente. Auch als Mensch blieb Otto Pankok den Sinti und Roma über Jahrzehnte in besonderer Weise verbunden. Beispielhaft ist sein Engagement für die Überlebenden des Holocausts in den Nachkriegsjahren.

 

Im Mittelpunkt der Ausstellung, die ab dem 20. Oktober 2006 - dem 40. Todestag des Künstlers - im Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma zu sehen war, standen die Porträts, die Pankok vor allem 1931/32 sowie in den ersten Nachkriegsjahren von Düsseldorfer Sinti schuf. Viele Werke waren hier zum ersten Mal im Original zu sehen. Neben großformatigen Kohlegemälden, die das Herzstück von Pankoks Kunst bilden, wurden auch Holzschnitte, Lithografien, Radierungen und Bronzeplastiken präsentiert. Fast alle präsentierten Werke waren Leihgaben aus dem Otto-Pankok-Museum, das von der heute 82-jährigen Tochter des Künstlers, Eva Pankok, geleitet wird. Eva Pankok berichtete auf der Ausstellungseröffnung über die enge Beziehung ihres Vaters zu den Düsseldorfer Sinti.

Bewusst wurden die in der Ausstellung präsentierten Kunstwerke in den historischen Kontext des Holocausts an den Sinti und Roma gestellt. Wie bei keinem anderen deutschen Künstler spiegelt sich in Pankoks Werk der nationalsozialistische Völkermord an dieser Minderheit wider. Durch seine Verbundenheit mit den Düsseldorfer Sinti wurde Otto Pankok zum künstlerischen Chronisten der an ihnen begangenen Verbrechen. Darüber hinaus dokumentierte die Ausstellung die Verfemung des Künstlers selbst, der nach 1933 zunehmend geächtet und dessen Arbeiten - nicht zuletzt wegen seiner Darstellungen von Sinti und Roma - als "entartet" diffamiert wurden. So enthielt die berüchtigte Propaganda-Ausstellung "Entartete Kunst", die Hitler im Juli 1937 in München eröffnete und die später in zwölf weiteren Großstädten von über drei Millionen Besuchern gesehen wurde, auch eine Lithografie Pankoks: das Porträt eines Sinti-Mädchens. Im Zuge der groß angelegten "Säuberungen" wurden in der Folge 56 seiner Werke aus deutschen Museen ausgesondert und vernichtet, darunter zahlreiche Darstellungen von Sinti und Roma. Alle Werke, die Otto Pankok nach 1937 schuf, konnten bis zum Ende der nationalsozialistischen Diktatur nicht öffentlich gezeigt werden. Trotz Malverbots setzte Pankok, der sich bis zum Ende des "Dritten Reichs" mit seiner Familie an wechselnde Orte auf dem Land zurückzog, seine künstlerischen Arbeiten mit Sinti- und Roma-Motiven fort.

Im Herbst 1947 veröffentlichte Pankok sein viel beachtetes Buch "Zigeuner". Es enthält eine Auswahl der Bilder von Düsseldorfer Sinti, die Pankok am Vorabend der nationalsozialistischen Machtübernahme geschaffen hatte. In seinem Vorwort schreibt Pankok: "Ach, Freunde, wohin seid ihr verweht, wo seid ihr zertreten, in welche Gruben haben euch schutzlose Kinder die Würger verscharrt wie Dreck? Man zerrte sie fort in die Todeslager und die östlichen Schlachthäuser. Wir hörten die Kinder schreien und die Mütter schluchzen unter den Peitschen der braunen Henker. Noch bevor die Synagogen aufloderten, waren die Zigeunerfamilien hinter den Gittern des Stacheldrahtes zusammengepfercht, um später das jüdische Schicksal in den Todeslagern des Ostens zu teilen."

Im Folgejahr schuf Pankok eine größere Zahl Kohlegemälde überlebender Sinti, die er nach ihrer Rückkehr aus den Konzentrations- und Vernichtungslagern in Düsseldorf wieder getroffen hatte. Die Porträts spiegeln die tiefe körperliche und seelische Verwundung der Menschen, die in den Jahren der NS-Diktatur fast alle ihre Angehörigen verloren hatten, eindringlich wider. Bis heute gehören diese Werke zu den bedeutendsten Beiträgen künstlerischer Auseinandersetzungen mit dem Holocaust an den Sinti und Roma.

Doch die Bedeutung von Pankoks Wirken weist über diesen zeitgeschichtlichen Kontext hinaus. Während Darstellungen von Sinti und Roma in der bildenden Kunst oft von tief verwurzelten Stereotypen oder exotisch-romantischen Projektionen überlagert sind, lässt Otto Pankok die von ihm porträtierten Menschen in ihrer Individualität und in ihrer unbedingten Würde hervortreten. Es ist nicht zuletzt diese von Empathie und Respekt geprägte Haltung des Künstlers gegenüber seinen Modellen, die den einzigartigen Rang der gezeigten Werke ausmacht.

Ergänzend wurden Fotos und Schriftstücke aus dem Nachlass des Künstlers präsentiert, die seine enge persönliche Beziehung zu den Düsseldorfer Sinti und seinen unermüdlichen Einsatz für die Überlebenden des Holocausts dokumentieren. Die Ausstellung wollte Pankok nicht nur als einen bedeutenden deutschen Künstler des 20. Jahrhunderts würdigen, sondern zugleich sein beispielloses menschliches Engagement für die Minderheit der Sinti und Roma zeigen.