Schiffe auf Schienen

 

Der Oberländische Kanal in den Masuren

ist ein technisches Wunderwerk

 

Von Katarzyna Tuszynska

 

Morgenstund’ hat Gold im Mund. Im Hafen der alten Hansestadt Elbing (polnisch: Elbląg), 80 Kilometer von Danzig entfernt, beginnt ein warmer Frühsommermorgen. Wer eine der größten Attraktionen der polnischen Masuren erleben will, muss früh aufstehen. Schon lange vor der Abfahrt um 8 Uhr gibt es keine freien Plätze mehr auf dem Schiff „Schwan“. Die meisten Passagiere sitzen auf den Holzbänken auf dem Oberdeck und genießen die ersten Strahlen der Sommersonne.

 

Nach ein paar Minuten Fahrt auf dem hier noch ziemlich breiten Kanal ist die Silhouette der Stadt Elbing verschwunden. Das Schiff biegt in einen riesigen See ein, den Drausensee (poln. Drużno). In diesem Vogelschutzgebiet kann man über 200 Arten von Wasservögeln beobachten. Kapitän Zbigniew Pawlak weist die Touristen auf wilde Gänse hin. „Es gibt hier auch sehr viele Kormorane“, erzählt er. Der 46-jährige Kapitän fährt seit über 20 Jahren auf dem Oberländischen Kanal zwischen Elbing und Osterode. Und immer wieder entdeckt er gemeinsam mit den Touristen neue Tierarten. Gretel Gottkamp aus Lübbecke in Ost-Westfalen ist schon zum zweiten Mal auf dem Kanal unterwegs. „Die Natur ist faszinierend. Und die ganze Vogelwelt. Die Tiere bleiben hier ungestört. Und diese Weite kommt noch dazu“, schwärmt die Deutsche.

Nach ein paar Minuten wird der Kanal immer schmaler. Insgesamt ist er mit allen Abzweigungen 130 Kilometer lang, aber von insgesamt fünf Stufen unterbrochen. Diese fünf geneigten Ebenen haben eine Gesamthöhe von 99 Metern, die das Schiff auf seinem Weg überbrücken muss. An jeder dieser Stufen wird das Schiff aus dem Wasser über Land nach oben gezogen, beziehungsweise nach unten abgelassen - je nach Fahrtrichtung.  Nach einer Stunde Fahrt durchläuft die „Schwan“ die erste Stufe. Das Schiff wird dazu auf einen Schienenwagen gehoben und mit Hilfe einer Standseilbahn zum nächsten Gewässer gezogen. Die Seile werden mit Hilfe von Wasserrädern, Drahtseilen und Turbinen angetrieben. All dies geschieht ganz ohne elektrische Energie mit reiner Wasserkraft.

Ingeborg Sinkewitz aus Berlin schaut sich das alles ganz genau an. „Wenn mir ein Berliner gesagt hätte, Du fährst mit dem Schiff über Land, hätte ich gesagt, Du spinnst“, wundert sich die 47-jährige. Von der Technik aus dem 19. Jahrhundert ist sie total begeistert. „Man muss das einfach gesehen haben. Es ist ganz toll“. Die deutschen Touristen an Bord vergleichen das Schiff mit einer Straßenbahn und lassen sich vom Bordpersonal alles ganz genau erklären.

Die Technik hatte sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts der Ingenieur Jakob Georg Steenke ausgedacht. Allerdings musste der preußische Baurat aus Königsberg 20 Jahre lang warten, bis sein Plan einer Schiffsverbindung des Oberlandes mit der Ostsee umgesetzt wurde. Der Bau selbst dauerte insgesamt 14 Jahre von 1844-1858. Der erste Dampfer befuhr im Jahre 1852 die Strecke zwischen Deutsch Eylau (Iława) und Elbing. Die Strecke Liebemühl (poln. Miłomłyn) bis Osterode (Ostroda) kam später dazu. Die 82 Kilometer lange Hauptstrecke führt heute von Elbing bis Osterode. Es gibt dazu die Abzweigungen Osterode - Deutsch Eylau (50 Kilometer), Osterode – Altfinken (Stare Jablonki) (15 Kilometer) und Liebemühl - Deutsch Eylau (30 Kilometer).

Die Schiffe auf dem Oberländischen Kanal verkehren vom Anfang Mai bis Ende September. Insgesamt 65 Passagiere passen auf das Unter- und Oberdeck eines Ausflugsschiffes. Die meisten Touristen stammen aus Deutschland und Frankreich. 85 Zloty, umgerechnet circa 20 Euro, muss man für das Ticket investieren. Die Nachfrage ist riesig, denn fürs Geld wird einiges geboten. Erst gegen 19 Uhr erreicht die „Schwan“ ihren Zielhafen Osterode. Dazwischen liegen elf kurzweilige Stunden in der herrlichen Natur der Masuren.

Doch für Gretel Gottkamp und Ingeborg Sinkewitz bedeutet das Ziel in Osterode noch nicht das Ende ihrer Tour. Von Osterode-Hafen  fahren sie zusammen mit ihrer Gruppe mit dem Bus nach Sensburg (Mrągowo). Dort quartieren sie sich an der Sensburger Seenplatte ein. Auf ihrem Tourenplan stehen unter anderem der Wallfahrtsort „Heilige Linde” (święta Lipka) und die „Wolfsschanze” bei Rastenburg (Kętrzyn). 1944 wurde hier das Attentat auf Adolf Hitler verübt. Ein Besuch in der Marienburg und ein Stadtspaziergang in Danzig schließen die Rundreise der deutschen Touristen ab. Insgesamt neun Tage waren sie dann unterwegs für günstige 700 Euro pro Kopf.

 

Informationen zum Kanal und Fahrpläne auch in deutscher Sprache:

Reederei żegluga, www.zegluga.com.pl

E-mail: inf@zegluga.com.pl

Tel./Fax.-Nr.: + 48 55 232 43 07

Übernachtungsmöglichkeiten:

Elbing, Hotel Młyn, http://www.polen-billig.de/masuren_urlaub/hotel_mlyn_elbing/hotel_mlyn_elbing.html

Nahe Ostroda (Osterode): Spa Masuria, Worliny 33, 14-105 Lukta, Tel. 0048 (0)89 649 9999, www.masuria.com.p

l hotel@masuria.com.pl

Stare Jabloñki (Altfinken): Hotel Anders http://www.masuren-online.de/wiztowki/ hotels/Anders/angebot.htm

Mrągowo (Sensburg): Hotel Mercure, "Mrongovia" Orbis S.A., Mrągowo, ul. Gizycka 6, Reservierung:, Tel. + 48 89 743 31 31, E-mail: mrongovia@orbis.pl