String-Tangas
und Wintersport
Die
Schlesischen Beskiden halten für Besucher einige Entdeckungen bereit
Von Hartmut Ziesing
Barania Góra - so heißt die Wiege Polens. An den Hängen dieses Berges im südlichsten Zipfel Schlesiens entspringt die "Königin der polnischen Flüsse", die Weichsel. 1090 Kilometer fließt sie nur durch Deutschlands östliches Nachbarland, durch das königliche Krakau und die Hauptstadt Warschau, bis sie bei Danzig in die Ostsee mündet. Jeder Pole hat eine innige Beziehung zu diesem Fluss, kaum ein Schriftsteller, der nicht eine Ode an den Strom geschrieben hat. Die Quelle der Weichsel ist aber nicht nur deswegen einen Besuch wert: Schneesichere Wintersportorte, Wälder und Natur sowie Volkskunst machen die Schlesischen Beskiden, ein Ausläufer der Karpaten im Dreiländereck Polen-Tschechien-Slowakei, zu einem attraktiven Reiseziel.
Schwarze und Weiße Weichsel -
dies sind die Quellbäche, an denen entlang man auf gut ausgebauten und
markierten Wegen die ersten Wanderungen durch malerische Wälder und Täler
unternehmen kann. Vom Gipfel Barania Góra bekommt man einen schönen Panoramablick über die
Schlesischen Beskiden und bei gutem Wetter hat man sogar Fernsicht bis zur Hohen Tatra. Gleich
unterhalb des Berges im Örtchen Czarne liegt die Winterresidenz
des polnischen Staatspräsidenten. Einst besaß das Habsburger Adelsgeschlecht
hier ein Jagdschloss, von wo aus das in den Wäldern zahlreich vorhandene Wild gejagt wurde. Besonders begehrt waren
Auerhähne, die hier bis heute in größerer Zahl in freier Wildbahn leben.
In der kommunistischen
Volksrepublik Polen verfiel das Schlossensemble und diente zuletzt als
Erholungsheim für Bergleute. Nach einer grundlegenden Renovierung wurde die
Präsidentenresidenz im März 2005 vom damaligen polnischen Staatsoberhaupt
Aleksander Kwasniewski wiedereröffnet. Wer es besichtigen möchte, kann eine
Führung beim örtlichen Büro der polnischen touristischen Gesellschaft PTTK
buchen. Ein Teil des Schlossensembles, das Untere Schloss und die Gajówka, sind als Hotel und Tagungsort ausgebaut und stehen
für Touristen zur Verfügung. m
Für ganz andere Politik - Politik
von unten - steht nur wenige Kilometer weiter die Berghütte Stecówka.
Seit 1934 bietet sie Wanderern auf der Route vom Bergpass Kubalonka
zum Gipfel Barania Góra
Rast. Ihr Besitzer Michał Legierski überstand
die Verhaftung durch die Gestapo, überlebte das Konzentrationslager Auschwitz
und war nach dem Krieg Opfer des stalinistischen Terrors in Polen. Die
kommunistischen Machthaber wollten ihn zwingen, seine kleine Berghütte verstaatlichen
zu lassen. Doch die Kommunisten trauten sich nicht, einen ehemaligen
Auschwitz-Häftling zu enteignen. So blieb die Stecówka
bis 1989 die einzige private Herberge in den gesamten, 1300 Kilometer langen
Karpaten. Heute führt sein Sohn die Hütte weiter. Gerne erzählt Michał Legierski jr. seinen Gästen in der Gaststube
von der wechselvollen Geschichte seines Hauses. Besonders stolz ist er, dass in
der kommunistischen Zeit viele Oppositionelle in der Stecówka
willkommen waren. Legierski, der im Exil im schwedischen Uppsala als
Literaturwissenschaftler lehrte, schaffte verbotene Literatur nach Polen, die
von der Berghütte seiner Eltern in der politischen Opposition in Polen und der
damaligen Tschechoslowakei verbreitet wurde. Heute verweist eine kleine Tafel
am Eingang auf diesen politischen Widerstand.
Ein besonderer Reiz ist es, über
Nacht in der Stecówka zu bleiben, wenn nach den
Wanderern Ruhe einkehrt und ein klarer Nachthimmel zu beobachten ist. Täglich
kann man schlesische Hausmannskost erhalten - je nach Jahreszeit vor der Hütte
am Lagerfeuer oder in der behaglichen Gaststube. Wer am Wochenende kommt,
sollte unbedingt die Hefe-Streuselkuchen probieren, die frisch im Holzofen
gebacken werden. Sonntags lässt sich katholische Volksfrömmigkeit in der
benachbarten kleinen und immer überfüllten Holzkirche erleben.
Von der Stecówka-Hütte hat
man einen Panoramablick über eine der schönsten Bergketten der Schlesischen
Beskiden bis in das Bergdorf Koniaków. Dieser Ort,
der hauptsächlich von Góralen, einer eigenen
polnischen Volksgruppe bewohnt wird, ist weltberühmt für seine Volkskunst: Koronki. Diese Spitzen, aus der Tischtücher, Decken und
sogar ganze Hochzeitskleider gehäkelt werden, schmücken u.a.
den Vatikan und den Palast der englischen Königin. Praktisch jede Frau im Dorf
kann die berühmten Koniaków-Muster häkeln. Zu den besten
Volkskünstlerinnen gehört Zuzanna Ptak,
die bereits im Alter von fünf Jahren ihre ersten Spitzen gehäkelt hat. Seit
über 50 Jahren stellt sie mittlerweile Tischdecken her, jede ist ein Unikat,
das sich aus anderen Mustern zusammensetzt. Mit ihren Töchtern, die ebenfalls
Spitzen häkeln, und gelegentlich auch mit der achtjährigen Enkelin verarbeitet
sie mehrere Kilometer feinsten türkischen Baumwollgarns zu edlen Koronkis.
Seit einiger Zeit macht der
Galerist Tadeusz Rucki Furore mit einer neuen Idee:
String-Tangas und Unterwäsche aus Koniakower Spitzen.
Das Bergdorf Koniaków ist seither gespalten in
Traditionalisten und diejenigen, die String-Tangas häkeln. Fernsehsender aus
aller Welt haben über den Unterwäschestreit berichtet und dafür gesorgt, dass
aus dem kleinen Beskidendorf mittlerweile
String-Tangas bis nach Tokio und Dubai verschickt werden. In Koniaków kosten die Spitzen nur die Hälfte - seien es
traditionelle Tischdecken oder moderne String-Tangas.
Schneesichere Wintersportgebiete
kann man rund um die Stadt Wisła (Weichsel)
finden. Seit Adam Małysz drei Mal Weltmeister
sowie Weltcupsieger im Skispringen wurde, ist seine schlesische Heimatstadt
weltbekannt. Wer nach Wisła kommt, kann vom
"Małysz-Fieber" der Polen noch einiges
erleben - vor allem natürlich, wenn gerade Skisprung-Wettbewerbe stattfinden
und die Menschen vor den Fernsehern in den Cafes und Kneipen der Stadt
"ihrem Adam" die Daumen drücken. Im Skimuseum der Stadt werden die
Skibretter gezeigt, auf denen Małysz vor fünf
Jahren seinem ersten Weltmeistertitel entgegensprang.
Wer den Sportler zum Fressen gern hat, sollte sich das aus 330 Kilogramm weißer
Schokolade gegossene, lebensgroße Abbild im Haus der Gesundheit nicht entgehen
lassen. Auch an Małysz-Souveniren mangelt es in
den Geschäften der Stadt nicht.
Damit die Małysz-Euphorie
noch möglichst lange anhält, investiert Wisła in
die Zukunft: Eine imposante Baustelle befindet sich im Malinka-Tal an der
Straße nach Szczyrk. Die Stadt baut hier eine neue
K-120 Großschanze und bewirbt sich damit für Weltmeisterschaften im Skispringen.
Bis es soweit ist, müssen Małysz und die anderen
Springer noch auf der alten Schanze direkt im Stadtzentrum trainieren - zur
Freude der Kur- und Wintersportgäste.
Bei einem Wanderurlaub an der Weichselquelle, einer Nacht in der Berghütte, einem Galeriebesuch bei den Góralen in Koniaków oder einem Skiaufenthalt in Wisła überrascht Schlesien auf eine unbekannte Weise. Polen kann man in den Schlesischen Beskiden ganz neu entdecken.
Informationen
Anreise: Der nächstgelegene internationale
Flughafen befindet sich in Katowice-Pyrzowice.
Direktflüge gibt es u.a. mit Lufthansa, LOT sowie Wizzair aus Dortmund, Düsseldorf, Frankfurt,
Frankfurt-Hahn, Köln-Bonn und München. Von hier aus sind die Schlesischen
Beskiden gut eine Autostunde entfernt und am einfachsten mit einem Mietwagen zu
erreichen. Am Flughafen gibt es mehrere Anbieter. Nähere Informationen: www.gtl.com.pl/de
Homepage des Polnischen Fremdenverkehrsamts:
http://www.polen-info.de/
Tourismusinformationen über Oberschlesien:
http://turystyka.silesia-region.pl
Residenz des polnischen Staatspräsidenten:
Führungen Mittwoch bis Samstag, 11-16 Uhr, Tel. (0048-33) 855 35 60 oder 855 34
80.
Hotel: ul. Zameczek
1, Czarne, Tel. (0048-33) 854 65 00, mail: zamekwisla@zamekwisla.pl, Doppelzimmer mit Frühstück
ab 47 €, u.a. Sauna, Tennisplätze
Berghütte Stecówka:
Schronisko na Stecówce,
43-470 Istebna 509, Tel: (0048-33) 855 52 58, mail: schronisko@stecowka.pl, 35 Betten in einfachen Zwei-,
Drei- und Mehrbettzimmer, Übernachtung ca. 6,50 € pro Person, Frühstück ab 2 €,
Hauptgerichte ca. 4 €. Mit einer Reservierung darf man die gesperrten Waldwege
auch mit dem Auto befahren.
Koniaków: Traditionelle Spitzen von Zuzanna Ptak kann man in der
Galerie von Helena Kamieniarz, Koniaków
301, 43-474 Koniaków, Tel. (0048-33) 855 65 61
kaufen.
String-Tangas und Unterwäsche aus Spitzen
bekommt man u.a. in der Galerie Chata
na Szancach von Tadeusz Rucki,
Koniaków 662, 43-474 Koniaków,
Tel. (0048-33) 855 70 70.
Touristeninformation Wisła:
Haus der Gesundheit, pl. B. Hoffa 3, 43-460 Wisła, Tel. (0048-33) 855 34 56, Öffnungszeiten: Mo.-
Fr. 8-16 Uhr, in den Sommermonaten bis 20 Uhr und am Wochenende bis 14 Uhr.
Zu den Sehenswürdigkeiten gehört neben dem
Skimuseum (ul. Wodna 3) auch das Beskiden-Museum.