Entscheidungen
werden gebraucht
Der Artikel von Harri Czepuk in Heft 1/2008 mit dem Blick auf die bevorstehende
Hauptversammlung der DPG-BRD (fordert) eine Bestimmung der Aufgaben, die durch
die Aktivität der Mitglieder lösbar sind. Es ist schwer genug, die Zeitschrift
POLEN und wir zu erhalten, aber es wird immer wieder geschafft. Konferenzen wie
die über Hellmut von Gerlach können Zeichen setzen, aber wen erreichen, was
bewirken wir damit?
Harri Czepuk
hat Recht, wenn er fordert, „eine Öffentlichkeitsarbeit zu leisten, um die
Basis für ein neues deutsch-polnisches Verhältnis zu schaffen“. Erinnern wir
kurz der Anfänge unserer Gesellschaft für gute Nachbarschaft (der ostdeutschen
Regionalgesellschaft - d. Red.). Wir
legten und legen Wert auf eigene und den Besuch von Veranstaltungen im
polnischen Kultur-Zentrum, betonen aber gleichzeitig die Notwendigkeit der
Aktion.
In den Jahren 1991/92 trafen sich
deutsche und polnische Jugendliche, um Teil des berühmten Pückler-Parks in Bad Muskau/Łeknica zu rekultivieren
und das Denkmal für den Parkschöpfer wieder sehenswert zu machen. Gemeinsame
Arbeit und Freizeit schafft Verbundenheit und setzt auch Zeichen für geistige
Auseinandersetzungen. Aktuelle Themen und lokale Aufgaben wurden Gegenstand von
Gesprächen mit Landräten, Bürgermeistern und anderen Repräsentanten. Auch erinnere ich mich daran, wie Teilnehmer
des Work-Camps ein großes Hakenkreuz über der
Eingangspforte der Schlossruine abschrubbten. Immerhin erregten wir die
Aufmerksamkeit der Muskauer und der örtlichen
Zeitungen rechts und links der Neiße in diesem Gebiet. Heute verbinden
ökonomische und kulturelle Initiativen die Bürger von Bad Muskau
und Łeknica.
Die Work-Camps
waren die unmittelbaren Vorläufer unserer Radtouren und Camps der guten
Nachbarschaft. Im Landessportbund Gorzów (LZS) fanden
wir einen zuverlässigen Partner. Radtouren sind touristische Veranstaltungen
und keine Colloquien oder Seminare, zumal sich unsere polnischen Partner
hinsichtlich der Irritationen in ihrem Lande zurückhalten. Aber
Sportfreundschaften und ein Empfinden für die Nachbarn sind ein Wert an sich.
Die mit uns befreundeten
Gesellschaften in Cottbus und Potsdam geben Bürgerbegegnungen, in denen Lehrer
eine wichtige Rolle spielen, einen hohen Rang. Es lohnte sich, Erfahrungen
Gleichgesinnter zu bündeln für ein Programm, das uns zum Partner von
Amtsträgern in beiden Ländern macht und Verbündete in uns nahe stehenden
Vereinen finden lässt. In der Arbeit, besser in der Fremde an konkreten
Projekten, die den Beteiligten nützlich sind, haben wir die Chance, Freunde zu
gewinnen, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen und den Veteranen
unserer Gesellschaft zur Seite zu springen - auch das ist eine Erfahrung aus
den Radtouren.
In einer Gesellschaft zu
arbeiten, die sich konkreten Projekten mit den Nachbarn verbunden fühlt, kann
ich mir vorstellen (da müssten auch neue Mitglieder zu gewinnen sein), eine Gesellschaft,
die mehr oder weniger aus Abonnenten von POLEN und wir besteht und mit Mühe
Veranstaltungen Intellektueller organisiert, ist mir zu wenig.
Werner Stenzel
DPG-BRD -
keine Freundschaftsgesellschaft
Man kann es mit den Vergleichen
auch übertreiben. Und liegt dabei meist doppelt falsch. So auch Harri Czepuk mit seinem Text „Die Hymne - Ein Menetekel?“ in der
letzten Ausgabe von POLEN und wir. Ein „Menetekel“ gilt als eine Unheil
verkündende Warnung oder ein Vorzeichen drohenden Unheils. Und das ist wohl für
die Deutsch-Polnische Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland etwas weit
hergeholt. Weit hergeholt ist auch die Behauptung, die Gesellschaft hinterlasse
heute einen „hilflosen Eindruck“. Und - ich erlaube mir als Westdeutscher
(eigentlich Süddeutscher) diese Bemerkung: Die Behauptung, dass offene Diskussionen
über Schuldfrage (2. Weltkrieg) und das Problem, Wiederholungen, die zur Schuld
führten, künftig für alle Zeiten zu vermeiden, in der alten Bundesrepublik
nicht stattgefunden haben, ist doppelt falsch. Natürlich hat es nicht in
ausreichendem Maße stattgefunden. Aber ein Großteil der als „68er-Bewegung“ in
die Geschichte eingegangenen Entwicklung war gerade der Ausdruck dieser
öffentlichen Debatte. Dagegen war es die DDR, die noch 1986 öffentlich
erklärte, sich an internationalen Jugendprojekten in Auschwitz nicht zu
beteiligen, „weil wir das nicht nötig haben“.
Richtig ist in dem Text von Harri
Czepuk, dass die Aufgaben der beiden „Gesellschaften
mit dem zunächst gleichen Namen in beiden Deutschen Staaten“ (Hellmut-von-Gerlach-Gesellschaft) so unterschiedlich waren,
wie das Schicksal der beiden Gesellschaften in Ost- und Westdeutschland.
Dennoch auch hier ein weiterer Unterschied: Die im Westen fortexistierende
Gesellschaft hat sich von Anfang an und bis heute als kritisch gegenüber
Zeitgeist und Staatsräson gesehen und so gehandelt. Nur deshalb übrigens hat
sie heute noch ihre Existenzberechtigung im Konzert und zugleich in Konkurrenz
zu den zahlreichen anderen heute existierenden Organisationen für
deutsch-polnische Verständigung.
„Unsere Deutsch-Polnische
Gesellschaft hat sich seit ihrer Gründung stets zum Ziel gesetzt, dazu
beizutragen, den Nachbarn besser kennen- und damit verstehen zu lernen.“,
schreibt der Autor. Ja, das war AUCH ein Ziel. Aber das bis heute vordringliche
Ziel ist, für eine „Normalisierung der Beziehungen“ zu arbeiten. Denn „normal“
sind die Beziehungen eben immer noch nicht. Das wird auch durch die soeben
eingetroffene Haltung des deutschen Bundestages auf den Appell der Gesellschaft
deutlich. „Auf polnischer Seite ist dieser Wunsch (den Nachbarn besser kennen
zu lernen) weiterhin auch vorhanden“, schreibt Czepuk
weiter und kritisiert, dass in unserer Gesellschaft die Kenntnisse der Partner
zu gering sind. Ich denke, sie sind - bei aller Kritikwürdigkeit -
zumindest so weit vorhanden, dass wir
erkennen, wie die Bereitschaft auf polnischer Seite sinkt. Wie übrigens das
gesamte Interesse an Deutschland. Das ist sicherlich nicht zuletzt auch eine
Folge des Wirkens der Kaczynski-Regierung.
Und dann noch etwas: Ich finde
die Radtouren der guten Nachbarschaft - abgesehen von einigen
Detailkritikpunkten - eine der ganz tollen Entwicklungen in den gutnachbarschaftlichen
Beziehungen. Aber sie sind eine Aktivität wie sie im Prinzip von vielen der
Deutsch-polnischen Gesellschaften und ähnlicher Organisationen durchgeführt
werden könnten. Dafür braucht es unsere Gesellschaft tatsächlich nicht
unbedingt.
Aber es gibt eben viele Punkte,
die - zumindest in dieser Klarheit - nur in dieser Deutsch-Polnischen
Gesellschaft angesprochen werden. Auf diese Punkte sollten wir uns konzentrieren.
Allerdings, da müsste die Kritik ansetzen, gilt es, diese Punkte zu
aktualisieren und zu verdeutlichen und dann vor allem nach draußen gemeinsam zu
vertreten. Wir reagieren zu wenig und zu spät auf Entwicklungen und Äußerungen
in der Öffentlichkeit. Das ist sicherlich der schmalen personellen Situation
geschuldet, aber dadurch nicht entschuldigt. Deshalb ist eine Debatte - und in
diesem Punkt unterstütze ich Harry Czepuk - über
Positionen und Aufgaben-Schwerpunkte wichtig. Pathetische Vergleiche mit der
Nationalhymne sind allerdings weniger angebracht als eine praktische
Zusammenarbeit auch derjenigen, die in Einzelpunkten unterschiedliche
Auffassungen vertreten.
Zur Zukunft
der Deutsch-Polnischen Gesellschaft
Harri Czepuck
findet, dass unsere Deutsch-Polnische Gesellschaft angesichts der Differenzen
in den offiziellen Beziehungen zwischen Deutschland und Polen einen hilflosen
Eindruck macht und vielleicht besser die Arbeit einstellen sollte. Er regte
mich damit zu folgenden Gedanken über eine mögliche Berechtigung unserer
Gesellschaft, auch in der Zukunft, an.
- So wie allgemein
Freundschaftsgesellschaften an sich für Verständigung und Freundschaft zwischen
Völkern nützlich sind, sollte es auch in Zukunft eine geben, die der
Freundschaft zwischen dem deutschen und dem polnischen Volk dienen will.
- In wie weit sie eine
beachtenswerte Rolle spielt, wird meines Erachtens wesentlich von einer
zeitgemäßen Aufgabenbestimmung nach außen (arbeitsteiliges Zusammenspiel mit
nationalen und polnischen Partnern) und nach innen (Balance zwischen
dezentralen und zentralen Anliegen) und einem anspruchsvollen selbstbewussten
Zielbild (z.B. Verwirklichung der Gerlachschen und entsprechender polnischer
Ideale mit den Möglichkeiten der zu gestaltenden Europäischen Union) abhängen.
Wünschenswert für unsere Gesellschaft wäre: Entwicklung zu einer Instanz, die
wegen ihres progressiven, humanistischen Ideengutes (Wachhalten, Entwickeln,
Diskutieren, Informieren) gern gesehener oder zumindest respektierter Partner
der offiziellen Politik (Staat und Parteien) wie interessierter kultureller u.a. Verbände und einzelner Personen ist. (…)
Eberhard Langen
(Die Leserbriefe wurden von der Redaktion gekürzt.)