Nein zum Raketenschild in Polen

 

Von Wulf Schade

 

Nach Aufruf der „Kampagne gegen Militarismus“ gingen ungefähr 500 Personen am 29. März dieses Jahres in S³upsk gegen eine Abschuss-Base für das geplante Raketenabwehrschild der USA auf die Straße. Die Abschuss-Base soll wahrscheinlich auf dem Gelände des Militärflughafens von Redzików errichtet werden und ist mit einer dafür zu bauenden Radaranlage in Tschechien gekoppelt. Dieser Militärflughafen liegt nur 4 km vom Zentrum der Stadt S³upsk entfernt. Die Mehrheit der Demonstrantinnen und Demonstranten waren junge Menschen aus antimilitaristischen Bewegungen und Organisationen wie „Stoppt den Krieg“ (Stop Wojnie), „Essen statt Bomben“ (Jedzenie zamiast bombs) wie auch verschiedener linker Organisationen. „Wir wollen keine Schilder und keine Kriege, wir wollen Frieden“, „Wir fordern ein Referendum über das Raketenabwehrschild“, „Der Krieg ist das einzige Spiel der Reichen, an dem die Armen teilnehmen dürfen“ und ähnlich lauteten die Parolen.

 

In der Nacht zum Sonntag wurden dann 24 Personen, die an der Demonstration teilgenommen hatten, auf einer Feier von der Polizei in einer Privatwohnung verhaftet. Der angegebene Grund war: Ruhestörung. Trotz sofort organisierter Proteste wurden diese Leute erst im Laufe des Sonntags und am folgenden Montag aus dem Polizeigewahrsam entlassen.

Demonstration in Słupsk ...

Während der Kundgebung konnte Dr. Andrzej Jodkowski als polnischer Vertreter der amerikanischen Organisation „Bündnis zur Unterstützung eines Antiraketenabwehrsystems“ Gründe für die Notwendigkeit eines Schutzschildes vortragen. Es würde den Weltfrieden sicherer machen, versuchte er die Menschen zu überzeugen. Dem widersprachen die Redner der antimilitaristischen Bewegungen. Filip Ilkowski von der Initiative „Stoppt den Krieg“ meinte, dass das Raketenabwehrschild eine weiter voranschreitende Militarisierung bedeuten würde, in einer zunehmend instabilen Welt, mit zunehmend instabileren Beziehungen zwischen den Großmächten. Die Wahrscheinlichkeit würde wachsen, dass die USA weitere Länder straflos angreifen würden. „Wir sind nicht damit einverstanden, dass die Bewohner von S³upsk und Radzikowo ihren Rücken gegen terroristische Angriffe und eventuelle Raketenangriffe anderer Länder herhalten müssen, damit die Vereinigten Staaten es einfacher haben, iranisches Öl zu rauben.“ Der Vorsitzende der „Grünen 2004“ (Zielony 2004), Dariusz Szwed, stellte fest, dass man anstatt eine Billion Dollar für die Militarisierung der Welt auszugeben, sich lieber mit den klimatischen Veränderungen beschäftigen sollte. Und Grzegorz Ilnicki von der „Kampagne Stoppt die Militärbasen der USA“ meinte: „Die Politik in Polen wird so durchgeführt, dass Entscheidungen in den Kabinetten der Herren Miller, Kwaśniewski, Tusk und Kaczyński gefällt werden, und die Bürger haben nichts dazu zu sagen. Wir sind mit solch einer Politik nicht einverstanden. Wir fordern ein Referendum, das ist unser Recht.“

Unterstützung gab es auch aus dem Ausland. Ein tschechisches Mitglied des Europäischen Parlamentes, Miloslav Ransdorf, rief auf der Kundgebung zur polnisch-tschechischen Solidarität gegen das Raketenabwehrschild auf. „Wir haben dasselbe Problem. Die Amerikaner wollen in unserem Land das Radar [das Teil des Raketenabwehrsystems ist - Anm. d. Autors] bauen. 80% der Bevölkerung ist dagegen, aber die tschechische Regierung stört das überhaupt nicht. Sie spricht nicht mit der Bevölkerung in dieser Angelegenheit.“

... und eine Tagung in Gdañsk

Eine weitere Aktion fand am Sonntag, 30.3.08 in Gdańsk statt. Dort organisierten die Jungen Sozialisten eine Konferenz unter dem Titel: „Das Raketenabwehrschild - Bedrohung und Herausforderung“. Hieran nahmen auch Vertreter aus Deutschland teil. „Ich bin absolut davon überzeugt, dass die Errichtung des Schildes gegen die Verfassung verstößt, weil diese die polnische Regierung zu einer Friedenspolitik verpflichtet. Selbst wenn es zu einem Vertragsabschluss mit der USA über den Bau des Schildes kommt, muss es noch ratifiziert werden, dass heißt entsprechend der Verfassung durch das Parlament oder durch ein Referendum.“, stellte Prof. Dr. Andrzej Sylwestrzak von der Juristischen Fakultät der Universität Gdańsk fest. Er meinte weiter, dass der Bau des Raketenabwehrschildes eine Provokation gegenüber Russland sei. „Das bedeutet den Aufbau eines Bedrohungspotentiales in unserem Teil Europas, wo doch die Rolle Polens darin bestehen sollte, eine Atmosphäre des Vertrauens zu entwickeln. Polen hat in seiner Geschichte längst sein Limit an Kriegen, Aufständen und Zerstörungen ausgeschöpft.“

Mehrheit gegen das Raktenabwehrschild

Dass sich diese und frühere Aktionen gegen das Raketenabwehrschild nicht im luftleeren Raum abspielen, zeigen polenweite (CBOS) wie regionale Umfragen (PBS GDA) in S³upsk und Umgebung. So stellte eine repräsentative Befragung am 17. März dieses Jahres auf Anforderung des „Zentrums für Bürgerinitiativen in S³upsk“ fest, dass die eindeutige Mehrheit (59,7%) der Bewohnerinnen und Bewohner der Region S³upsk gegen den Aufbau des Raketenabwehrschildes in Redzikowo ist, 30,7% sprachen sich dafür aus. Allerdings würden mehr Bürgerinnen und Bürger (37,7%) zustimmen, wenn Polen vertraglich garantierte größere Sicherheitszusagen von Seiten der USA erhielte.

Ein ähnliches Bild ergibt sich bei polenweiten Umfragen. So stellte eine ebenfalls repräsentative Umfrag vom 1.-4. Februar dieses Jahres fest, dass 53% gegen die Stationierung eines Raketenabwehrschildes in Polen ist, nur 33% dafür. Der Vergleich mit früheren Umfragen zeigt, dass die Ablehnung zuerst ständig anstieg - von 34% im Dezember 2005 auf 60% im Juni 2007 - und seit dem leicht rückläufig ist. Dagegen sank die Zustimmung von 50% im Dezember 2005 auf heute 33%, wobei mit 25% der Tiefpunkt im April 2007 erreicht war. Ein anderes Bild ergibt sich dann, wenn man das Raketenabwehrschild mit Zusagen der USA für eine größere Verteidigungsbereitschaft für Polen verknüpft. Dann stimmen einem Schild 54% zu und bei einer Ablehnung bleiben nur noch 34%. Diese Tatsache zeigt zweierlei: einerseits wird der USA nicht mehr getraut, wenn sie nur Versprechungen macht, gleichzeitig aber traut man auch den bisherigen Sicherheitsversprechungen der europäischen Staaten nicht.

(auf der Grundlage von Berichten von PAP, gp.24.pl, Gazeta Wyborcza)

 

 

 

Politische Einstellung der polnischen Bevölkerung zu Auslandseinsätzen überhaupt

 

Auf die allgemeine Frage, ob polnische Soldaten außerhalb Polens im Rahmen von NATO-, EU- oder UN-Einsätzen überhaupt eingesetzt werden sollen, sprachen sich im Februar 2008 (in Klammern die Werte vom Oktober 2006) aus:

- bei einem UN-Mandat eindeutig dafür 28 % (25%), dagegen 33% (39%),

- bei einem EU-Mandat 22% (20%) dafür, 41% (43%) dagegen,

- bei einem NATO-Mandat 20% (21%) dafür, 39% (43%) dagegen.

 

Auf die konkrete Frage zum Einsatz polnischer Soldaten an der unter NATO-Mandat laufenden Afghanistan-Operation sprachen sich im Februar 2008 nur 22% dafür (6% entschieden ja, 16% eher ja) und 73% dagegen (43% entschieden dagegen, 30% eher dagegen) aus. Diese Zahlen sind seit über einem Jahr (Beginn Januar 2007) relativ stabil. Zwischen 14-22% sprechen sich für den Einsatz und 75-83% dagegen aus.

(Quelle: CBOS BS/31/2008 vom Februar 2008)

 

Die Teilnahme polnischer Soldaten am Irakkrieg unterstützen im Oktober 2007 nur 16%, dagegen waren 81%.

(Quelle: CBOS BS/162/2007 vom Oktober 2007)