Carl von Ossietzky

 

Deutsch-polnische Gedenkfeier zum 70. Todestag

 

Von Klaus Göttner

 

Die Geschichte, das Wissen um die Vergangenheit hilft uns, die Gegenwart besser zu erkennen und entsprechend zu handeln. Dass das notwendig ist, zeigen die Wahlerfolge von NPD und DVU in Regionen und Wohngebieten, wo Protestpotential vorhanden ist, und in denen die Menschen von der sozialen Krise am schlimmsten betroffen sind. Wenn immer wieder Gewalttaten der Neonazis gegen politische Gegner, gegen Menschen anderer Herkunft, wenn heute von Gerichten genehmigte Aufmärsche von Anhängern der NPD an der Tagesordnung sind, wenn immer noch von den Politikern über ein NPD-Verbot diskutiert wird, obwohl sich in einer Unterschriftensammlung der VVN 175.445 Bürger für ein Verbot ausgesprochen haben, wenn deutsche und polnische Rechtsextreme gemeinsam nach Halbe zum „Ehrenden Gedenken“ fahren, dann ist das Erinnern an die vielen namenlosen antifaschistischen Widerstandskämpfer an die bekannten unbeugsamen Opfer des Naziterrors weiterhin erforderlich.

 

Einwohner der polnischen Stadt Słonsk und Mitglieder der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten und der Gesellschaft für gute Nachbarschaft zu Polen hatten sich gemeinsam mit anderen gesellschaftlichen Akteuren aus Berlin zu dieser gemeinsamen deutsch-polnischen Veranstaltung zusammengefunden, um an seinem 70. Todestag Carl von Ossietzkys zu gedenken.

Nach einer herzlichen Begrüßung durch den Bürgermeister, Herrn Krzyskow, dem Dank von Herrn Wegner von der Berliner VVN/BdA und einer Information zur Geschichte des Konzentrationslagers Sonnenburg durch den Kustos, Herrn Kaczmarek, legte der Chefredakteur der Zeitschrift „Ossietzky“, Herr Eckart Spoo, in seiner Gedenkrede u.a. dar, dass Ossietzky als Autor und Redakteur der pazifistischen und antimilitaristischen Berliner Wochenzeitschrift „Die Weltbühne“ den Nazis besonders verhasst war. Seit 1921 habe er schonungslos vor Hitler und dessen militärischen und industriellen Hintermännern gewarnt. Er gehörte nach dem Reichstagsbrand mit zu den ersten „Schutzhäftlingen“. In der Folterhölle Konzentrationslager Sonnenburg wurde er nach dem Bericht eines Mithäftlings „besonders malträtiert“.

Hitler hatte in dieser Zeit noch viele Bewunderer im Ausland und es war schwierig, den Propagandaschleier vor den Verbrechen der Nazis zu durchdringen. Im Bemühen, das Martyrium Ossietzkys weltweit bekannt zu machen, kam im Sommer 1934 wertvolle Unterstützung aus Polen: „In Warschau, Krakau und Lemberg wurden literarische Abende veranstaltet, bei denen viel über Ossietzkys Schicksal gesprochen wurde. Es wurden Telegramme an Ossietzky, an das deutsche Propagandaministerium und an die deutsche Gesandtschaft in Warschau gerichtet. Als Goebbels in Warschau war, versuchte eine Delegation von Intellektuellen und Arbeitern, den deutschen Gesandten von der Erregung der polnischen Pazifisten über Ossietzkys Schicksal zu unterrichten. Sie wurde nicht vorgelassen. Das reizte viele polnische Organisationen noch mehr, und es gibt jetzt in Polen eine lebhafte Bewegung für die Freilassung der in deutschen Konzentrationslagern schmachtenden politischen Gefangenen.“

Weiterhin führte Herr Spoo aus, „für alle diejenigen, die Hitler unterstützt, für alle diejenigen, die Widerstand unterlassen hatten, war und blieb Ossietzky eine Herausforderung, der sie sich möglichst entzogen. Als Widerständler geehrt wurden und werden möglichst nur die Offiziere der Nazi-Wehrmacht, die gegen Ende des Krieges die Führung auswechseln wollten, um gemeinsam mit den Westmächten an der Ostfront weiter zu kämpfen.“

Ausgehend von einem Zitat aus dem Jahre 1931: „Der Krieg ist ein besseres Geschäft als der Friede. Ich habe noch niemanden gekannt, der sich zur Stillung seiner Geldgier auf die Erhaltung und Förderung des Friedens geworfen hätte. Die beutegierige Canaille hat von eh und je auf Krieg spekuliert“, stellte Spoo am Ende nachdenkenswerte Fragen:

„Hat sich das geändert? Dürfen wir, Deutsche und Polen, uns damit beruhigen, dass wir jetzt in einem Militärpakt vereinigt sind? Können wir zufrieden sein, dass wir jetzt - ohne darüber abstimmen zu dürfen - einen gemeinsamen europäischen Vertrag bekommen, der zur Aufrüstung verpflichtet? Dürfen wir die Augen verschließen vor Angriffskriegen, völkerrechtswidrigen Kriegen, an denen wir beteiligt sind? Was löst die Nachricht in uns aus, dass im Irak-Krieg schon über eine Million Menschen getötet worden sind?“

Danach wurden zum Gedenken Blumen am Denkmal  und auf dem Friedhof der Opfer des Faschismus niedergelegt. Mit großem Interesse wurde das Museum besichtigt und der Film angesehen.

Nachdem die deutschen Teilnehmer wieder einmal die liebenswürdige polnische Gastfreundschaft erlebt hatten, klang der Tag mit der Führung durch die herrliche ehemalige Ordenskirche der Johanniter, einer Information über die Schlossruine und einer Wanderung durch das Vogelschutzgebiet, begleitet vom Quaken der Frösche und Tirilieren der Vögel aus.

Der Gemeinde Słonsk ein herzliches Dankeschön für das gemeinsame deutsch-polnische Gedenken an Carl von Ossietzky.

Übrigens wurde der riesige Gebäudekomplex des KZ nach dem Kriege abgerissen und die Backsteine zum Aufbau von Warschau genutzt.