Die Ähnlichkeit zwischen Polen und Deutschen

 

Zwei Bücher unter die Lupe genommen

 

Von Karl Forster

 

Polen ist auf dem deutschen Buchmarkt absolut „in“. Nach der Reiseführerschwemme, die manch beachtliche, einige nützliche aber auch viele unterdurchschnittliche Bücher hervorgebracht hat, geht es längst darum, „den Nachbarn zu verstehen“. Zumindest zeigt das umfangreiche Angebot, dass es offensichtlich mit dem Abbau der Vorurteile noch immer nicht sehr weit ist.

 

Wohl eine Mischung aus Information und Unterhaltung sollen „Viva Polonia - Als deutscher Gastarbeiter in Polen“ von Steffen Möller und das „Alphabet der polnischen Wunder“, herausgegeben von Stefanie Peter sein. Letzteres, Ende vergangenen Jahres im Suhrkamp Verlag erschienen, versucht fast lexikonmäßig zu erläutern, was von Abtreibung und Adel bis Zensur und Zwillinge (ja, DIE sind gemeint)  zum Verständnis Polens beitragen kann. Die Beiträge sind in der Regel sachlich, geben aber all das wieder, was wir in den letzten Jahren in deutschen Zeitungen lesen konnten. Wirklich Aufregendes gibt es nicht zu entdecken, nicht einmal besonders Unterhaltendes oder wenigstens Neues. Neu ist dagegen, dass die Herausgeberin selbst in ihrem Vorwort schreibt, dass man die alphabetische Sortierung genommen hat, um nicht in Versuchung zu kommen, Wichtiges über Unwichtiges zu stellen. So soll der Leser selbst auswählen, was davon wirklich brauchbar ist. Das ist allerdings demjenigen, der Polen nicht kennt, kaum möglich. Der Andere aber, hat dieses Buch nicht nötig. Dennoch: In Bibliotheken von Jugendbegegnungsstätten beispielsweise kann das Buch anregen, mal etwas über Polen zu lesen. Aber es bleibt eine vergebene Chance. Auf den über 300 Seiten hätte man viel Spannendes über Polen darstellen können.

Scheinbar den gleichen Weg ging der Lehrer, Schauspieler und Kabarettist Steffen Möller in seinem Buch „Viva Polonia“. Alphabetisch sortiert erzählt er kleine mehr oder weniger humorvolle Geschichten, die helfen sollen, das Land und seine Menschen besser zu verstehen. Ein absolut berechtigtes und verständliches Anliegen. Doch im Stile seines ersten Berufes bleibend, müsste die Benotung lauten: „Er war bemüht…“.

Möller beschreibt einen Deutschen, der in Polen lebend sich zurechtfinden muss. Solche „Gastarbeiter in Polen“ (Untertitel des Buches) gibt es aber schon viele. Es gab sie auch schon vor Möller. Als Deutschlehrer an einem Warschauer Lyzeum und anschließend Sprachlektor an der Warschauer Uni wurde er für eine Fernseh-Soap entdeckt. Er spielte darin: den Deutschen. Aber so wie GZSZ (Gute Zeiten, Schlechte Zeiten) oder „Verbotene Liebe“ in Deutschland wurde „M jak Miłość“ (L wie Liebe) vor allem bei jungen Leuten in Polen populär und damit der Anti-Held Stefan Müller - so heißt er in der Serie - bekannt. Angeblich sei Möller nun - so der Buchverlag - der zweitbekannteste Deutsche nach dem Papst. Der nächste Schritt Möllers war es nun, mit einem eigenen Kabarettprogramm aufzutreten. Er will damit Vorurteile der Polen gegenüber den Deutschen und umgekehrt aufbrechen. Und das scheint umso leichter, als das Niveau der Kenntnisse über das andere Land in Polen unter jungen Menschen inzwischen bald ebenso gering ist, wie das in Deutschland. Da lässt sich, mit etwas Humor verpackt, schon manches vermitteln.

In seinem Buch „Viva Polonia“ versucht Möller nun zu erläutern, was passieren kann, wenn man aufgrund der schwierigen polnischen Grammatik peinliche Verwechslungen produziert. So weit, so unterhaltsam. Und tatsächlich gelingt es mit einiger Mühe, auch eine Reihe problemloser und unterhaltsamer Texte in dem Buch zu finden (wie ich es für eine Lesung bei einer Veranstaltung in Berlin gemacht habe). Viele Texte sind dazu aber meines Erachtens nicht oder nur eingeschränkt geeignet. Da sind zum einen die zahlreichen Klischees, die er angeblich zerstören will, tatsächlich aber weiterverbreitet. So haben alle Polen unter dem Kommunismus gelitten (nicht unter Krieg und Naziregime), und natürlich hat er auch Zeugen gefunden, die ihm bestätigen, dass unter den Sowjets im Krieg alles viel schlimmer war als bei den Deutschen. Anderen Texten merkt man seine Bemühtheit zur Verbesserung der Beziehungen an, zugleich aber auch die Tatsache, dass er wenig Hintergrundwissen hat. Geschichtliche und politische Zusammenhänge erschließen sich Möller offensichtlich nur soweit, wie sie täglich in der Zeitung zu finden sind. „Jetzt haben wir Freundschaft und die wollen wir jetzt mal leben“, scheint sein Motto zu sein. Und da wird auch jede Nachwende-Position anstandslos und ungeprüft nachgebetet.

Problematischer noch scheint aber eine Mischung aus Unwissenheit und Oberflächlichkeit zu sein. Auch als Kabarettist sollte man aufdecken und nicht durch Vereinfachung vernebeln. So will Möller in einem Text deutsch-polnische Gemeinsamkeiten entdecken und behauptet: „Beide Staaten haben jeweils drei staatliche Fernsehprogramme, zwei überregionale und ein regionales.“ Dabei haben wir gerade unter der Kaczyński-Regierung in Polen gesehen, was ein „staatliches Fernsehen“ ausmacht: Alle wesentlichen Positionen werden nicht nur umgehend mit Parteifreunden besetzt, sondern es wird dafür gesorgt, dass die politische Linie der Regierung bis in die unteren Ebenen durchdringt. Bei aller Kritik an dem immer noch zu starken Parteieneinfluss auch im öffentlich-rechtlichen System würde dieses Vorgehen in Deutschland zu einem Aufschrei führen.

Schade an dem Buch ist aber die Anzahl seiner Beiträge mit Belanglosigkeiten.  Auf die Hälfte gekürzt, hätte man ein nettes Büchlein zur Unterhaltung oder Aufregung.

Doch halt, ich kritisiere das Buch aus der Sicht eines Menschen, der sich viele Jahre mit Polen befasst hat, Hintergründe kennt. Eine polnische Freundin sagte mir neulich, Möller habe bei den einfachen Menschen, ohne große Kenntnisse der Deutschen, etliches für den Abbau von Vorurteilen getan. Das gleiche, das muss man konstatieren, kann das Buch vielleicht bei der Masse der Deutschen, die nichts über Polen wissen, erreichen.

Alphabet der polnischen Wunder. Ein Wörterbuch von Stefanie Peter (Herausgeber), Maciej Sienczyk (Illustrator), Gebundene Ausgabe: 328 Seiten, Verlag: Suhrkamp 2007, Preis: EUR 24,80

Viva Polonia. Als deutscher Gastarbeiter in Polen  von  Steffen Möller, Broschiert: 368 Seiten, Verlag: Scherz 2008, Preis: EUR 14,90

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